Die Sprache

Vor einigen Wochen erhielt ich den Hinweis auf das Buch “Das Limburg-Syndrom” von Florian Stumfall – mit wärmsten Empfehlungen eines Freundes, der um mein großes Interesse um das Thema “Sprache” weiß. Nach Eintreffen des Buches las ich es in einem Stück. Etliche der zitierten Sprachverfälschungen (und damit einhergehenden – oder beabsichtigten – Hirnerweichungen) waren mir bewußt. Florian Stumfall hat eine saubere Arbeit geleistet: Gratulation. Nach Rücksprache mit dem Verlag wurde mir erlaubt, das Kapitel “Die Sprache” als Auszug zu veröffentlichen: Hier ist es. Mit Hinweis darauf, daß dieses Buch noch sehr viel mehr anzubieten hat. Mit besten Empfehlungen: Dietmar Hannebohn

 

“Das Ergebnis ist eine Bevölkerung mit einem durchschnittlichen IQ von 90, zu dumm zu begreifen, aber intelligent genug, um zu arbeiten.”
Thomas P. M. Barnett “Der Weg in die Weltdiktatur”

Das wesentliche Instrument für die Strategie der politischen Korrektheit ist die Sprache. Wir haben es ja gesehen – der Umstand, daß die verschiedensten Begriffe geächtet werden, gehört zu den immer wiederkehrenden Versatzstücken des täglichen Schwachsinns. Lassen wir das zum Überdruß herabgeleierte “Bürgerinnen und Bürger” und alle entsprechenden Formulierungen der Politiker und Journalisten beiseite – in den meisten Fällen beherrschen weder die einen noch die anderen ihre Muttersprache und kennen daher nicht den generischen Plural. Verbuchen wir dieses ästhetische Ärgernis à conto beflissener Blödheit.

Die Sache mit der Sprache jedoch ist ernster. Es ist das unabdingbare Bestreben all jener, die in einer Gesellschaft und dann im Staate Macht ausüben wollen, die Sprache unter ihre Kontrolle zu bringen. Das Maß, in dem ihnen das gelingt, entspricht dem Grad der Totalität einer politischen Ordnung. Wer die Sprache beherrscht, der lenkt auch das Denken und damit in der Folge das Handeln der Menschen. Denn das Denken ist im Allgemeinen dem Handeln vorgeordnet, jedenfalls bei all jenen, die Strategien zur Beherrschung der Menschheit entwickeln. Bei den Beherrschten ist das Denken ohnehin unerwünscht, die Sprache soll zu einem rudimentären Verständigungsmittel werden, wie sie es bei Affen, Walen oder Vögeln auch ist.

Die Entscheidungsbefugnis darüber, was mit der Sprache geschehen darf und was nicht, eröffnet also ein kolossales Macht-Potential. Dieses Macht-Potential steht allen anonymen Kräften zur Verfügung, die heute schon bewirken, daß in der Sprache nicht kodifizierte und von keinem autorisierten Gremium erlassene Vorschriften wirksam werden.

Und nach aller Erfahrung ist es so, daß es kein Macht-Potential gibt, das potentiell bliebe – es wird, früher oder später, aber mit unabweislicher Sicherheit auch angewandt. Die Möglichkeit zur Macht führt zwangsläufig zur Anwendung von Macht, das ist ebenso ein Naturgesetz wie das von der gleichmäßigen Verteilung von Gasen im Raum.

Es kennzeichnet einzig und allein den Rechtsstaat, daß er von Macht-Potentialen nicht unbedingt und in allen Fällen Gebrauch macht. Als Beispiel mag im Strafrecht die Möglichkeit gelten, eine Sache wegen Geringfügigkeit nicht zu verfolgen. Doch derlei geschieht nur in einem vorab rechtlich beschriebenen Rahmen und mit den darin vorgesehenen Grenzen. Doch die Vorschriften der anonymen Sprach-Polizei sind ja das genaue Gegenteil davon. Sie sind nicht kodifiziert, beziehen ihre Wirkkraft aus keiner rechtlich ausgewiesenen Quelle und entheben sich bewußt aus dem Kontext des staatlichen Rechtsgefüges. Sie sind ein Gegenentwurf, keine Ergänzung.

Das Wort wird begrenzt, kontrolliert und gerechtfertigt vom Gedanken und der Tat. Es verbindet den Plan mit dem Werk, die Absicht mit dem Ergebnis. Es ist also von zwei intentionalen Kräften gekennzeichnet und hat daher eine ethische Größenordnung. Schreibt aber jemand den Menschen vor, wie und vor allem was sie zu reden haben, so wird er ihnen alsbald auch vorschreiben, wie und was sie zu denken haben. Er nimmt den Menschen ihre Verantwortung und ihre Freiheit.

Auffallend auch, welche Häßlichkeiten die Verstaatlichung der Sprache mit sich bringt. Die bekannte -Innen-Obsession ist lediglich das am weitesten verbreitete Übel, aber es gibt noch viele andere, und einige haben wir aufgeführt. Die Berliner Republik betreibt bereits dieselbe Sprach-Diktatur wie vor Zeiten die DDR, in der es nicht “Weihnachtsengel” heißen durfte, sondern dazu “Jahresend-Flügelpuppe” gesagt werden mußte.

In solchen Konstrukten wird offenbar, daß den Eiferern und Ideologen die Ästhetik nicht als zu beachtende Größenordnung gilt. Daher wirkt der ideologische Zugriff auf die Sprache doppelt: einmal dadurch, daß er durch Verdikt und Tabu das Denken gängelt, zum anderen, weil er durch die Zerstörung des Sprach-Niveaus einer einebnenden Gleichmacherei Vorschub leistet, die alle Vorstellung von Besonderheit und hohem Rang abtötet. Diese Gleichmacherei ist keine zufällige Erscheinung, sondern ein Wesenszug freiheitsfeindlicher Ordnungen.

Nun wenden die Verfechter der politischen Korrektheit vor allem im Umgang mit der Sprache ein, diese dürfe kein Mittel sein, andere Menschen herabzusetzen, auszugrenzen oder zu beleidigen. Wie wahr! Nur ist die Möglichkeit, daß Jemand den anderen herabsetzt oder beleidigt, so alt wie die Sprache, und mit derselben hilflosen Verve könnte man das Theorem errichten, der Mensch habe seine Hand nicht dafür, daß er einem anderen eine Ohrfeige gebe. Auch das ist richtig, aber dafür, daß solche Regeln eingehalten werden, ist nicht der Staat da, sondern Familie und Gesellschaft. Wenn diese ein wenig mehr Gewicht auf gute Manieren legten, gäbe es keine überwölbende Drohkulisse und amtshandelnde Beamte, wenn jemand auch nur meint, einem anderen sei auf den Zeh getreten worden. Aber nach 20, 30 Jahren antiautoritärer Erziehung und einer damit einhergehenden Proletarisierung ist die Bindungskraft von Anstand und Höflichkeit derart gering geworden,
daß diese Anliegen nun einer anonymen, selbsternannten, hysterischen Sittenpolizei überantwortet werden und dabei sind, vollends der Verstaatlichung zu verfallen.

Verstaatlichung und freiheitfeindliche Ordnungen – da gibt es doch einen Zusammenhang, nicht wahr? Sie erinnern sich?

Florian Stumfall

Florian Stumfall

Jahrgang 1943, studierte Philosophie, Politik und Volkswirtschaft. Sein besonderes Augenmerk gilt jenen verborgenen Akteuren im Hintergrund, die darauf abzielen, Werte und Einstellungen ganzer Gesellschaften nach ihren Interessen zu verformen. Als Gegenspieler der Vernunft identifiziert er eine aufgesetzte Moralität, bewußt falsche Interpretation des Gleichheitsgrundsatzes, die Majorisierung durch die Minderheiten und eine mit allem verbundene Hysterie, die bis hin zum allgemeinen Gebot fanatischer Toleranz reicht.

Auszug aus dem im Juli 2017 erschienenen Buch von Florian Stumfall “Das Limburg-Syndom”
mit freundlicher Genehmigung von EWK-Verlag GmbH, Elsendorf
ISBN 978-3-938175-95-8

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