Wenn wir den Gott im Innern, die Freiheit und Liebe in uns, erreichen möchten, müssen wir oftmals einige religiöse Überzeugungen und metaphysischen Glaubensinhalte loslassen. Damit eine Erkenntnis aus unserem Innern heraus wachsen kann, müssen wir uns offen halten und zu einem Zustand des reinen Seins gelangen. Letztendlich werden wir alle dorthin geführt oder auch dazu gezwungen, wenn wir dies nicht freiwillig tun.

Wenn wir gewillt sind, unseren BewußtseinsinhaIten und -vorgängen zu begegnen, ist es hilfreich, unsere jetzigen Glaubensinhalte nicht zu bewerten, sie nicht als richtig oder falsch zu bezeichnen. Wir sollten einfach anerkennen, daß unsere physischen, psychischen, familiären und sozialen Umstände und Beziehungen, unsere wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Verhältnisse die direkte Widerspieglung dessen sind, was wir bislang geglaubt und gedacht und welche Glaubensüberzeugungen wir zugelassen haben. Es ist inzwischen viel zu deutlich und offenkundig, um länger übergangen werden zu können, daß unsere Erfahrungen durch unsere Glaubensüberzeugungen bedingt sind.

Wenn wir uns immer klarer darüber werden, wie unser Bewußtsein wirkt und was es hervorbringt, können wir uns nicht länger der Tatsache verschließen, daß der Glaube an das Böse und der Glaube an einen zornigen oder rachsüchtigen Gott in unserem Körper und in unseren individuellen und internationalen

Beziehungen bestimmte Folgen nach sich zog. Diesem Glauben fügten wir unsere finanziellen, wirtschaftlichen und militärischen Mittel hinzu und machten uns dann daran, unsere sogenannten Feinde zu vernichten oder uns gegen sie zu verteidigen. Wir entdeckten dabei, daß wir keinen Haß in unserem Körper oder in unserem Gemüt fühlen können. ohne daß wir die entsprechenden häßlichen Erfahrungen zu uns heranziehen.

Wenn ich Dich verdamme, Deine Glaubensinhalte, Deine Art der Lebensführung, muß ich diese Verdammung und ihre Wirkungen in mir erfahren. Du wirst vielleicht genügend bewußt und liebevoll sein, um über meine Verdammung lachen zu können. Aber da ich nun einmal so geschaffen bin, wie ich bin, habe ich keine andere Wahl, als diese Erfahrungen und Auswirkungen weiter zu erleben, bis ich mich von den ihnen zugrundeliegenden Bewertungen und Verurteilungen befreit habe. Ich könnte denken, daß Du die Verkörperung des Teufels bist, aber für diese meine Art zu denken, muß ich den Preis entrichten bzw. die Früchte dieses Denkens ernten. Ich habe diese Früchte dann in meinem Denken und Fühlen, in meinem Körper, auf meinem Bankkonto, in meinen menschlichen Beziehungen und in meinem Universum.

Wenn ich genügend verdamme, kann sogar der nächste Hund an der Straßenecke den Schwanz einklemmen und sich in die Büsche schlagen. Denn der Hund nimmt die Botschaft wahr, wenn ich an ihm vorbei gehe. Einigen wissenschaftlichen Erkenntnissen zufolge, empfängt das ganze Universum diese Botschaft.

Ich kann hier und jetzt durch meine Vorstellung und mein Gefühl erfahren, was mit mir geschieht, wenn ich mit dem Denken beginne, daß es einen Gott der Liebe gibt, der das Universum geschaffen hat. Dieser Gott liebt mich mit einer immerwährenden Liebe. Ich habe von diesem Gott der Liebe nichts zu fürchten. Dies bedeutet nicht, daß ich nicht die Früchte meines Denkens und Handeins zu trägen hätte. Es bedeutet, daß sich mein Denken verändert, wenn ich den Gott der Liebe annehme. Meine Gefühle und auch meine zwischenmenschlichen Beziehungen werden sich verändern. Ich kann sogar des Nachts besser schlafen. Ein befreiender und verwandelnder Vorgang wird in Gang gesetzt, den wir Vergebung nennen. Auch mein Bild vom Universum wird sich verändern. Ich stelle fest, daß Menschen mich nicht länger so sehr verwirren, stören oder verängstigen. Und ich muß nicht länger anderen beweisen, daß meine Art zu denken die einzig richtige sei. Ich kann damit anfangen, einen anderen Menschen wahrhaft zu schätzen, nicht als einen Feind oder »Teufel«, sondern als ein anderes menschliches Wesen, das auch zu erwachen beginnt. Etwas ganz Außergewöhnliches wird nun stattfinden. Einige der Knoten in meinem Magen und in meinem Gemüt lösen sich ganz von selbst, und ich blicke mit neuen Augen auf meinen Nächsten, meine Familie und meine Nachbarn. Ein Wunder vollzieht sich: Ich beginne zu erwachen. Sicherlich ist es nicht immer einfach, meine alten Bewertungen loszulassen. Denn ich habe sehr viel Zeit und Kraft aufgewendet, andere zu überzeugen, daß ich recht habe. Wenn ich daran festhalte, daß meine Art des Denkens die Wahrheit und alles andere eine Lüge ist, werde ich zu einem gefährlichen Passagier auf dem Raumschiff Erde.

Jesus sagte in der Bergpredigt, daß jeder, der etwas gegen seinen Bruder hat, ihn verdammt oder einen Narren nennt, in der Gefahr des Höllenfeuers ist. Nach unserem Verständnis bedeutet dies: wenn wir jemanden verdammen, verurteilen wir uns selbst. Wir schneiden uns von der Liebe Gottes, von der Menschheit und vom schöpferischen Vorgang ab, und das ist Hölle. Verdammung heißt nun einmal, daß wir einen Damm errichten, der uns von der Liebe femhält. Bereits Thomas Edison hat festgestellt, daß unser Körper ein elektrisches Instrument ist und daß wir ihn buchstäblich zu Tode schockieren können durch Furcht, Verdammung, Schuld und Groll. Selbstverständlich wissen wir alle, wie wir eine Beziehung durch Verdammung töten können.  Viele Ehen und Freundschaften sind zu Tode »geschreckt« worden durch die Furcht, Verdammung und Schuld, die wir in sie eingebracht haben.

Was heißt es, wenn ich jemanden verdamme oder mir um jemanden Sorgen mache? Es heißt, daß ich im Grunde davon ausgehe, daß Gott sich nicht um diesen Menschen kümmere und ihn nicht liebe, weil er anderer Meinung ist als ich oder weil er nicht mit mir im Einklang ist. Wir sagen im Grunde: »Wie könnte Gott mit einem solchen Menschen etwas zu tun haben.« Wenn wir genügend solche Aussagen und Meinungen in einer religiösen, politischen oder internationalen Organisation zusammenbringen, können wir uns selbstverständlich rechtfertigen, eine Bombe herzustellen, um diese, die »sowieso zur Hölle gehen müßten«, auszulöschen. Wir können uns kaum die Macht vorstellen, die in jedem von uns ist und die durch unsere religiösen Überzeugungen, durch unser Gemüt und durch unseren Körper zum Ausdruck kommt.

Jesus machte klar, daß wir durch unser eigenes Richten gerichtet werden und daß uns vergeben wird, wenn wir vergeben. Wir hemmen die reine Kraft der Liebe, des Lichts und des Lebens durch festgefügte Meinungen und durch Urteilen. Das heißt, wir werden in Wahrheit durch unsere Sünden bestraft und nicht für sie. Es bedarf keiner Macht außerhalb meiner selbst, um mich zu bestrafen, weil ich jemanden verdamme. Die Verdammung selbst trägt in sich die »Strafe«. Ich kann nicht der Person die Schuld geben, die ich verurteile, denn mein Richten sagt mehr über mich aus als über denjenigen, den ich richte.

Wir können selbstverständlich sagen. daß uns eine böse Macht dazu veranlaßt hat, etwas Schlechtes zu tun. Oder wir können sagen, daß etwas in mir ist, das den freien Fluß des Lichtes und der Liebe stauen läßt. Mit diesem Verständnis beginnt das, was wir als das spirituelle Bewußtsein bezeichnen können. Wir erkennen, daß das gesamte Universum keineswegs gegen uns ist. sondern daß das Licht und die Liebe durch uns strömen will. Jesus sagte: der Sohn des Menschen (das menschliche Bewußtsein) muß erhoben werden,

so wie Moses die Schlange in der Wildnis erhoben hat. Das heißt, wir müssen es zulassen, daß sich unser Bewußtsein erhebt. In diesem Vorgang des Sichöffnens erheben wir uns ein Stück im Bewußtsein und werden uns einer neuen Kraft bewußt, die uns erhebt.

Eines der größten Hindernisse, uns zu öffnen, ist die Überzeugung, daß es etwas außerhalb von uns selbst gäbe, das uns von unserem Guten abhalte, daß es einen Widersacher gäbe, der außerhalb unserer selbst auf uns wirke. Aus dieser Überzeugung stammt die Vorstellung von einem Teufel. Jesus sagte vom Teufel: »Der war ein Mörder von Anfang an und hat seinen Stand nicht in der Wahrheit, denn die Wahrheit ist nicht in ihm … Er ist ein Lügner, ja der Vater der Lüge.« (Joh. 8, 44) Kontempliere einmal darüber, was diese Aussage bedeutet. An eine Lüge zu glauben tötet unser spirituelles Gewahrsein, unsere Freude, unsere Liebe, unseren Respekt vor dem schöpferischen Vorgang und die Wirksamkeit Gottes in jedem von uns. Wenn Jesus sagte, daß der Teufel ein Lügner ist und in ihm keine Wahrheit ist, wäre es dann nicht von Vorteil für uns, nicht länger an seine Macht zu glauben.

Wir können davon ausgehen, daß die großen Erleuchteten der Menschheit wie Jesus und Buddha eine Vision vom Universum hatten, das von einem Gott der Liebe geschaffen und erhalten ist und das sich durch uns entfaltet.

Nach dieser Vision sind wir nicht länger Opfer, die in diesem Universum in kleinen Ecken von Angst eingeschlossen sind und die irgendeiner Macht die Schuld zuweisen für unsere Schwierigkeiten, sondern wir sind Teil einer neuen Menschheit und ihrer Entfaltung, einer Menschheit, die bereit ist, ihre Eigenverantwortung zu akzeptieren. Diese Menschheit ist dabei zu entdecken, daß die Krankheiten und Probleme, unter denen wir leiden, ihren Ursprung im menschlichen Denken haben. Wenn wir unsere geistigen Augen öffnen, sehen wir ein wunderbares neues Universum oder erhaschen einen Blick vom ewigen Universum, das immer da war. Wenn unsere Sicht nicht länger getrübt ist durch unsere Verdammungen und Schuldgefühle, durch das Gefühl des Getrenntseins von einander und somit auch vom Schöpfer des Universums, dann beginnt ein neuer Schöpfungsvorgang. Wenn wir uns öffnen, erkennen wir, daß wir spirituelle Wesen sind und schon immer waren. Wir erkennen uns als Leben gebender Geist.

Bejahung:

Ich anerkenne, daß Gott mich liebt und mir meine begrenzenden Urteile vergibt.
Ich bin offen dafür, das wahre Wesen in mir und in anderen zu erkennen.
Ich schaue mit den Augen der Liebe. Ich bin ein Leben gebender Geist der Liebe.

Besteht der wahre Test unserer spirituellen Reife nicht darin, das zu lieben, was nicht liebenswert zu sein scheint?

Nichts gehört uns wirklich, solange wir es nicht schätzen. Wenn wir lieben, setzen wir die schöpferische Tätigkeit fort, die Gott begonnen hat, und unsere ganze Welt wird verwandelt. Die ganze Natur antwortet auf die universelle Sprache der Liebe. Gesegnet ist, wer sie spricht. Es ist wirklich kein Geheimnis, wie wir die anderen dazu bringen können, uns zu mögen. Alles, was wir tun müssen, ist zu lernen, sie zu mögen. Wir müssen die Welt nicht ändern, bevor wir sie lieben können. Unsere Liebe zur Welt bringt ihre eigenen Veränderungen mit sich. Wir lieben einen anderen Menschen in dem Maße, wie wir ihn freilassen, er selbst zu sein. Lieben heißt sich daran erinnern, sich selbst fröhlich anzunehmen.

Lieben heißt sich daran erinnern, daß wir uns der Wahrheit des Seins hingeben. Liebe wird uns zuteil in dem Augenblick, in dem wir lieben.

 

Sig Paulsen

Sig Paulsen

J. Sig Paulson war Repräsentant von World-Unity, Leiter von Unity-Village Chapel, Houston, USA, ist Vizepräsident der International New Thought Alliance und Autor von vielen auch ins Deutsche übersetzten Büchern. Er diente mit vielen Vorträgen in mehreren Ländern der Welt.