Dunkelviolett, die Nacht

Nachtwindgewisper – Obenunendlichkeit – Glitzerfunkelaugen – Himmelsgeburten – Sternenfeuerkinder – Millionenstrahlengezier – Überbevölkerung der anmutigsten Art – Wünsche, sie sollen erfüllen.

Als Kind versuchte ich Nacht für Nacht, einen der Ihren, wie eine Blume zu pflücken, war bemüht, einen der Lichtpunkte zu erhaschen – Meine Seelensehnsucht, ein leuchtendes Sternenglühwürmchen für mein Zaubereinweckglas.

Verwandeln, umwandeln, es sollte können – Großmama´s Geschichten – Vorgetragen von ihrer sanften, einzigartigen und unvergessenen Stimme – Niemand konnte sich deren Bann entziehen – Mein Begehr, ein smaragdrosa Feenflügelmädchen – Eine Freundin, die mich mochte, so wie ich war, die mich meiner roten Haare wegen nicht verspottete, Eine, die all die grauenvollen Albträume hinter meiner Stirne, einfach so verpuffen lassen konnte.

Samtnachtdunkel – Schwarze Dame – Traumkönigin – Luna, Edle Sternenhüterin, ihr Schein, ihr Silber, berührt das Fensterglas – Die Rahmen, sichtbar in die Nacht hinausgelehnt. Der Himmel – Dunkelgewölbe – Lichterkuppel – Unendlichkeit – Ein Übermaß an Weite – Heilige Stille – In seinen Armen schläft die Welt – Er atmet ein – Er atmet aus. Langsam, ich lasse meine Finger gleiten durch die Nacht – Ihre Hände, so weich sie sind – Zwischen den Bäumen, Glühwürmchenreigen – Barfuß, und auf Zehenspitzen, ich tanze über das warme, nicht im Geringsten gewöhnungsbedürftige schwarze Laminat – Silbrig schimmernde, quadratische Metalleinlagen veredeln, werten auf – Ein, in sich stimmiges Gesamtbild – Deine ureigene Vorstellung von Ästhetik – Mehr und mehr, ich liebe Deinen so außergewöhnlichen Geschmack – Einige Minuten lang, verliere ich mich, genieße ich die, mir gebotene haptische Erfahrung.

Das sinnlich, erotische Bodeninstrument hat Deinen Geruch, hat die Düfte, der in den Wänden haftenden Klänge, die Farben, der von Dir gespielten Musikstücke absorbiert. Ein Nachtfalter, stahlblau, verirrt sich im Raum – Ohne ihn zu ängstigen, geleite ich den Flügler sanft in die Unendlichkeitsweite zurück – Odeurreiche Sommerfäden betören – Die Nase, mein Musikinstrument, identifiziert würzig dünne Flairs von Levkojen und Nachtviolen. Weiche Farne, ich spüre ihre Präsenz, sehe ihre rhythmisch, wundersamen Filigranentfaltungen in Wechselgrün vor meinem geistigen Auge – Des weiteren, all die Bläulichen, Blaugrünen, Stahlblauen, Weißgelben Gräser, Mutter Gaia´s Haare – Als Krönung, sinnlich berauschende Blumenseelenbuquets.

Der Wind, er ruht, er verweilt – Verdoppelt, verdreifacht, steigert so den olfaktorischen Genuss – Mondscheinbeete, er bestäubt – Nachtkerzen, Calendula, Pfingstnelken, Storchenschnabel, Melisse, Tagetesodem, er bewacht – Verzückung – Duftromanzen – Geruchsorchester. Himmlischer Schwindel – Mohnblütensüße – Kelche, dunkel glühend, darauf, gedachte Botschaften für Dich – Meine Gefühle sie tragen – Buntgewebte Naturparfüme – Satt, still aufsteigend, zerhauchend, zerfließend, zerstiebend, verebbend, vertrudelnd – Hochsommerglück – Farbsensationen.

Ich lasse ab vom Draußen und widme mich der, mich mehr und mehr anziehenden, mich anlockenden Präsenz – Ich schleiche – Taste mich füßig heran – Umgehe – Bestaune – Bin fasziniert von der Größe – Möchte berühren, fühlen, umwerben. Die imposante Lady, sie ruht, wartet, ersehnt – Dunkelviolette Schönheit, wie wohl fühlst Du Dich an? Kühl, warm, mich abwehrend, nicht akzeptierend, weil Du, wie ich, nur ihm verfallen bist? Du einzig von ihm, gestreichelt und liebkost werden möchtest?

Noch scheue ich mich davor, die Lady zu berühren, meine Fingerabdrücke auf ihrem staubfreien und makellosen Körper zu hinterlassen, sie durch meine Essenz womöglich zu verwirren. Wie wohl wird sie reagieren, wenn ich sie zu solch ungastlicher Zeit wecke? Zornig, ungehalten, verschnupft? Und was ist mit Dir? Würde es Dir recht sein, wenn ich mich ihr ungebetener Weise nähere?

Ehrfürchtig ich bewundere ihre Anmut, ihren starken Rumpf, den schmalen Hals, die elegante Form – Eigens für Dich angefertigt, wie ich beim genaueren Betrachten, nicht überrascht feststelle – Vorsichtig ich nehme hinter ihr auf dem höhenverstell – und kippbaren, ergonomischen Sattelsitz des Stuhles platz.

Fichte und Ahorn – Unter der Sonderlackierung mit ihrem Herren und Meister, mit der Umwelt, mit den Zuhörern, die Materialien agieren – Ebenholzfarbene Schwärze unter der Bespannung, sprich, den vier Seiten – Ein Hingucker, die geschnitzte Schnecke, welche den Abschluss des Halses bildet – Ein handwerkliches Meisterwerk, von einem Romantiker auf´s Papier gebracht, von einem Könner erschaffen und eindrucksvoll in Szene gesetzt. Ohne sie tatsächlich zu berühren, zeichnen meine Finger die Konturen des imposanten Drachenkopfes, des geöffneten Mauls, der dunkelvioletten, metallisch schimmernden Halsschuppen nach – Fuchsiafarbenes Augenleuchten – Kritisch interessiert, wir einander mustern.

„Anders als bei Dir, mein Herz, war es bei ihr und mir, keine Liebe auf den ersten Blick.“

Darauf vertrauend, dass Du mich auffangen wirst, lehne ich mich zurück – Deine goldgebräunte Haut, noch immer sie ist leicht erhitzt vom Liebesspiel – Dein nach mir, nach uns duftender Atem an meinem rechten Ohr – Zauberworte Du flüsterst – Weiterhin ich bin trunken, von Deinen rotweinglänzenden Lippen, den Dir entweichenden vielfarbigen Aromen – Küsse, ohne Anfang, ohne Ende, Du mir schenktest – Die Auswirkungen der Nacht, sie haftet auf unserer Haut – Noch,
wir werden sie nicht herunterwaschen. Schattenspiele – Unsere Silhouetten an der Wand – Ich lerne gerade Dich zu teilen, denn, es gibt euch nur zu zweit – Ich schaue Dich an, und ich höre und erfasse, die Dir innewohnende tiefsinnige
Musik.

Mein Herzschrittmacher – Der Mond in Deinen Augen schwimmt – So vielschichtig Du bist, so vielseitig interessiert – Shakespeare, Du liest, seine Worte, Du rezitierst, seine Stücke, Du inszenierst – Sechs Stunden Monologe, kein Problem für Dich – Immerzu, ich möchte ertrinken in Deiner Poesie.

„Schau sie Dir an, Clara, diese Lady ist unförmig, sperrig und schwer. Vom Transport ganz zu schweigen. Die Navigation in Innenräumen ist eine Herausforderung. Türen, sofern sie nicht von selber aufschwingen, sind eine Hürde. Ja, vor Dir steht eine wahre Exotin. Ein Instrument, wahrlich nicht für Jedermann gedacht. Ich muss gestehen, der Kontrabassvirus hat mich erst spät erfasst.

Eine Herzentscheidung, so, wie Du, so, wie alles andere in meinem Leben.

Ich habe diesen augenscheinlich groben Klotz, diesen dicken Gesellen, habe diese Lady nicht gesucht. Jahrelang, schenkte ich ihm keinerlei Beachtung, denn, meine bevorzugten Instrumente waren Gitarre, Orgel und Klavier. Auf sie allein war ich fokussiert. Meine violette Lady – Mittlerweile liebe ich ihre Größe und Körperlichkeit. Ihre Klänge bewegen und verzaubern mich jeden Tag auf´s Neue. An machen Tagen fühlt es sich an, als spiele nicht nur ich, dann erscheint es mir, als ob die Lady das Ruder übernimmt. Dann verschmelzen wir, werden wir Eins, interagieren wir. Und in Einem bin ich mir absolut sicher, man braucht das gewisse Etwas im Herzen, um das Vertrauen eines Kontrabasses zu gewinnen.

Jeder Klang, hat eine individuelle Farbe. Jeder Ton, verströmt einen anderen Geruch. Welten schlafen in ihren Saiten. “Heute ist der Tag der Tage, ist der rechte Moment, euch einander offiziell vorzustellen. Also, lasst mich euch beide einander näher bringen, mein Herz.“

Deine rechte Hand auf Meiner – Meine Finger, sie schrecken aus Respekt vor euch, noch davor zurück, die dunkelvioletten Metallstimmwirbel zu berühren – Was, wenn diese einzigartige Schönheit mich nicht mag? Wenn wir keinen emotionalen Zugang zueinander finden? Was, wenn sie mich als Konkurrentin betrachtet?

Prelude – Scheues Betasten, Begreifen, Erfühlen – Musik, handgemacht, taktil – Ich hoffe inständig, Deinen, ihren, euren Erwartungen, gerecht werden zu können – Und dann, lässt Du uns einander wahrnehmen – Lady Violett an meiner linken Hüfte, an meinem linken Bein – Dein Herzschlag an meiner Schulter, ganz ruhig er ist – Du vertraust, bist Dir sicher, die Lady und ich, wir schaffen das.
Meine Finger, zitterig sie sind, Du jedoch lässt sie über die sommernachtwarmen Saiten gleiten – Das ebenholzschwarze Griffbrett darunter, seine Härte, es lässt mich spüren – Herzbeschleunigungen als wir zusammen den elastischen Bogen aufnehmen – Nicht das übliche Braun, denn die Lady liebt es Ton in Ton.

Du verweist auf den sogenannten Frosch, die hintere Befestigung, auf den dort befindlichen silbernen Ring, welcher die 250 schwarzen, statt weißen Pferdeschweifhaare spreizt und hält – Ich erfahre, dass sich durch die sparsame oder aber massive Verwendung der Beschlagteile, der Schwerpunkt an die Wünsche des Spielers anpassen lässt. Du bevorzugst den längeren deutschen Bogen, der von unten nach oben gehalten wird und präferierst die runde Form, da diese weniger starr, und weicher im Klang ist.

Ich bin erstaunt, wie perfekt ausbalanciert, und, wie angenehm leicht, der 60 Zentimeter lange und 130 Gramm schwere Fernambukuholzbogen zu führen ist – Es duftet nach Kolophonium – Lärchengeruch füllt den Raum – Das Harz glättet und umhüllt die kleinen Wiederhäkchen der Behaarung, so dass der nötige Reibungswiderstand entsteht, um die Saiten zum Vibrieren zu bringen.

Und, dann – Schwingungen, vom Scheitel bis zur Sohle – Schwingungen, in meinem Herzen, in meinem Inneren, in jeder einzelnen Zelle, Schwingungen überall – Meine Blicke, sie können sich nicht von Deinen Fingern, die die Meinen führen lösen – Sie scheinen auf dem Griffbrett zu Hause zu sein. Die Königin erwacht – Sie pulsiert, berührt, dringt ein – Klänge, vielfarbig, feinfühlig, beglückend, sanft fließend, melancholisch und sehnsuchtsvoll, herausgelockt vom Bogen, von Dir, von uns, sie gibt preis – Zärtlich, liebkosend und ehrfürchtig wir sind.

Da ist mehr als nur Holz, mehr, als nur Klangkörper, mehr als nur Form – Du, der Bogen, die Lady, wir kommunizieren – Herzkontakt – Gänsehautpusteln – Die Welt steht still.

Berührungen – Kaum spürbar – Deine Worte, sie duften nach Liebe – Ich überlasse mich dem Rhythmus Deiner Seele – Küsse auf meinem Haar – Das Deine – Zimt, Sand, Safran, Karamell, es schimmert – Mondlicht bricht sich in den Haarrissen des, auf dem Fensterbrett stehenden, angeschlagenen Rotweinglases – Die auf dem Boden verbliebenen Restaromen locken Nachtinsekten an – Deine einzigartige Essenz, meine Atemzüge versuchen sie einzufangen. Klangkörper – Der Deine – Der Ihre – Unser gemeinsamer Widerhall – Portamentoechos, zärtlich, verführerisch, übermütig, wild, auf meinen Lippen, auf meiner Zunge, in meinem Mund – Ihr öffnet mir die Schatzkammern eurer virtuosen Poesie – Musik – Physisch, machtvoll, lebendig – Ein Hauch – Ein Kitzeln – Ein Sturm – Ein Orkan – Pastelltöne – Seidenweichklänge – Herzschlagtakte – Blütenbunttempi – Malerin – In unbekannte Sphären sie entführt, wundersame Reiche sie eröffnet – Die Lady erlaubt mir, voll und ganz ich zu sein.

Deine Lippen, mondlichtgesprenkelt, zärtlich, sie berühren mein rechtes Ohr – Ich sehe klarer – Bin fokussierter, und erfasse, die Dunkelheit verstärkt die Nacht, ist ihr Partner – Sie hebt hervor – Stellt heraus – Komplettiert – Unsere Konturen, weich, entrückt, entschärft.

Kerzenschein meißelt die Unfallnarben auf Deinen Unterarmen hervor, des weiteren, die drei Hautverfärbungen, welche auf Deinem rechten Handrücken liegen – Keine Makel, nicht für mich, sondern, da mir das Gesamtbild vertraut ist, einfach nur Perfektion. Sinnlicher Dreiklang – Erotik – Glücksgefühle – Seelenperlen – Jeder Atemzug ein Austausch – Berührungshauch – Ich spüre, wie sehr Du mich begehrst – Deine Küsse, niemals sie brauchen einen Grund.

Mein Herz, Deine Seele hat es geformt, Deine Liebe modelliert. Ich frage mich: “Gab es schon mal ein Uns? Waren wir schon einmal Wir, so körperlich vertraut wir einander sind?”

Meine Bogenstriche, sanft sie Deine Narben streicheln – Deine Gedanken, ich wünsche sie mir laut, denn ich liebe die Prosodie Deiner Sprache – Mein stummes Sehnen, augenblicklich von Dir erfasst.

„Streiche Deine Gedanken, Deine Gefühle, Deine Wünsche, Deine Sehnsüchte heraus. Klangfäden, Tonperlen. In Dir sie ruhen. Befreie sie. Lass sie fließen. Träume Dich hinein. Improvisiere. Und empfange, Lady Violett´s Segen. Leere Saiten – Trage auf Deine Worte, massiere ein Deine Seele. Fülle das unsichtbare Notenblatt mit Geschichten, die sich zwischen den Tönen befinden. Fürchte Dich nicht vor Dissonanzen. Träume Dich hinein, vertraue dem, Dich umwerbenden Stimmungskokon. Lausche Deiner vollkommenen Sonate. Staune über die, Dir gebotene Seelengeburt.“

Entkörperung – Unsere Herzen sich berühren – Farben – Freischwebend – Dunkel – Violett – So atemberaubend dieser Augenblick des reinen,  allumfassenden Seins. Romantik pur – Sommernachtsflair – Resonanzen, Echos, Rhythmen, Deine Worte auf meinen Lippen tanzen – Musikkaligraphie – Blumenblütensüßessenzen – Den Wohlgeschmack Deines Odems sie verstärken – Du, ich, wir selber sind ein Duft – Der Intensivste der Schöpfung überhaupt.

Fingerspuren, auf mir, auf ihr – Deine Papillarleisten, ihre Schleifen, Bögen, Wirbel und Minuzien, zeichnen Bilder, zeichnen Dein Werben auf unsere Haut – Augenpoesie – Zeitlupenworte – Eruptive Sehnsucht – Schlussakkord!

Federkiel

Federkiel

Position

Federkiel – eine anonyme Liebhaberin der Realitäten. Ich konnte sie gewinnen, auch hier zu publizieren und danke ihr dafür, daß wir an ihren tiefen Gefühlen teilnehmen dürfen.