Einleitung
Seit Menschengedenken tauchen die Fragen auf: “Woher komme ich, wohin gehe ich und warum lebe ich?” Dieses Streben nach Wahrheit und Erkenntnis finden wir schon in den ältesten Kulturen. Im Ägypten des Altertums gab es Tempelschulen, in denen Der Weg nach innen gelehrt wurde. Am Tempel zu Delphi stand: Erkenne dich selbst. Das Symbol dieser und noch anderer Völker war die Sphinx. Sie stellt bildlich den erleuchteten Menschen dar, der über seine materielle Natur (Körper) hinausgewachsen ist und das Licht des Geistes, das Licht Gottes in die Welt trägt. Dieses Licht drückt sich auf dem menschlichen Antlitz der Sphinx in Form von Reinheit und Klarheit aus.
In fernöstlichen Kulturen heißt es von jeher: Entdecke dich selbst. Dort haben sie als Symbol den meditierenden Buddha und sagen: Der Buddha ist das Licht der Welt, das den Namen Mensch trägt. So hat auch der Buddha den Körper überwunden und Frieden und Erleuchtung im Geiste gefunden. Er ruht in höchster Glückseligkeit in sich, mit der Bereitschaft, auch anderen Menschen den Weg zum Frieden, zum Licht zu weisen.
Auch in der Bibel ist immer wieder die Rede vom: Lebendigen Wasser, das in uns ist, von dem wir umsonst nehmen können. Auch wir müssen den Weg nach innen gehen, wie es uns jener große Gottessohn vor 2000 Jahren lehrte, der die Welt überwunden hatte, und von sich sagen durfte: Ich bin das Licht der Welt. Bei uns stellt die Taube bildlich die von der Materie und allen irdischen Schlacken befreite, erleuchtete Seele dar. In der noch lebendigen Religion des frühen Christentums begegnet sie uns immer wieder.
Auch Yoga zeigt den Weg nach innen. Das Wort kommt aus dem Sanskrit und bedeutet anjochen, anschirren, sich mit etwas verbinden. Dieses Etwas ist der Geist, das Licht, das Selbst, ist der Gottesfunke in uns. Um dieses Ziel zu erreichen, gibt es viele Yoga-Wege. Die wichtigsten sind:
Karma-Yoga Der Weg der Arbeit
Jnana-Yoga Der philosophische Weg der Erkenntnis und Weisheit
Bhakti-Yoga Der Weg der selbstlosen Nächstenliebe
Raja-Yoga Der steile Weg der Meditation, des stillen Gebets
Hatha-Yoga Der Weg der körperlichen Gesundheit und Leistungsfähigkeit
Alle Yoga-Wege führen den Menschen zu seinem Ursprung zurück und lassen ihn die geistig-göttlichen Gesetze und Kräfte erkennen, die alles Geschaffene, das ganze Universum und auch sein eigenes Wesen aufbauen und leiten.
Allgemeingültiges
Bevor wir mit den Yoga-Übungen beginnen, wollen wir uns ein paar Punkte merken:
- Es ist ratsam, die Übungen immer zur gleichen Zeit auszuführen. Entweder morgens nach dem Aufstehen, am Nachmittag (mit Sonnenuntergang) oder auch abends. Jeder muß die für sich beste Zeit herausfinden und nach Möglichkeit einhalten, denn die Wirkungen der Übungen werden durch den regelmäßigen Rhythmus gesteigert. Diese rhythmische “Ordnung” wirkt sich auch wohltuend auf das Nervensystem aus und steigert die Harmonie unseres Alltags.
- Läßt sich die Zeit nicht immer einhalten, wie es zum Beispiel auch bei Menschen der Fall ist, die Schichtdienst haben, so ist es doch immer besser, irgendwann etwas zu üben, auch wenn es nur 10 Minuten am Tage sind, als gar nicht.
- Wer direkt vor dem Schlafengehen übt, muß besonders auf die Wirkungen achten. Zu dieser Zeit hat man individuell die stärksten Verschiedenheiten beobachtet. Es gibt Menschen, die durch die Umstimmung und Harmonisierung des ganzen Organismus nach den Übungen sofort herrlich, tief und ruhig schlafen und andere, die wieder munter werden und voller Tatendrang und Arbeitslust sind. Die Letzteren sollten dann lieber morgens, spätestens aber am frühen Nachmittag üben.
- Bitte nie mit vollem Magen üben, frühestens zwei Stunden nach dem Essen, und auch nicht, wenn man krank ist und Temperatur hat.
- Zur Zeit der Mensis sollte sich die Frau auf Atmung und Entspannung konzentrieren. Ohne Bedenken können auch leichte Drehübungen der Wirbelsäule hinzugenommen werden, die Entlastung und Erleichterung bringen.
- Alle Dinge, die uns in der Bewegung und Atmung behindern und einengen, werden abgelegt. Ist der Raum warm und ruhig, so sollte bei offenem Fenster geübt werden. Andernfalls ist es besser, nach guter Durchlüftung die Fenster zu schließen; besonders in der Großstadt, wo der Lärm uns stört. Yoga ist ja keine Gymnastik. Über den Übungen steht immer das Gebot derRuhe, der Hingebung an den Frieden des Geistes.
Savasana (Totenlage)
Freude und Gesundheit sind wichtig im Leben, um es zu meistern, um den Anforderungen gerecht zu werden, die der harte Lebenskampf dem Menschen unserer Zeit auferlegt. Darum brauchen wir heute mehr denn je einen Ausgleich, eine Umstimmung, eine Entspannung und vor allem Dingen einen gesunden Körper. All das finden wir im Yoga, denn Yoga steht im Gegensatz zum Leistungssport. Hier wird nicht mit Anstrengung, nichts mit Gewalt oder Ehrgeiz gemacht. Die wichtigste Übung ist eigentlich das “Nichtstun”. Diese Stellung heißt Savasana oder Totenlage. Sie ist der Ausgangs- und Endpunkt jeder Yoga-Stellung.
Wir liegen auf einer Decke, flach auf dem Rücken. Die Beine sind ausgestreckt nebeneinander, wobei die Fußspitzen leicht nach außen zeigen. Auch die Arme liegen zu beiden Seiten des Körpers, je nach Konstitution des einzelnen mit den Handflächen nach oben oder zum Boden zeigend. Beide Stellungen sind richtig. Wer Beschwerden hat, kann am Anfang ein kleines Kissen für den Kopf oder das Kreuz nehmen. Bei einem Hohlkreuz kann man eine kleine Rolle unter die Knie legen, da vielen Menschen flaches Liegen ungewohnt ist.
Beginnen wir eine Übung aus der Bauchlage, so liegen wir auch hier erst entspannt auf dem Boden, bis wir zur völligen Ruhe gekommen sind. Dabei können die Hände unter der Stirn sein, oder wir legen die Arme zu beiden Seiten des Körpers bequem auf den Boden, und den Kopf drehen wir zur rechten oder linken Seite. Auch hier muß jeder für sich die “entspannteste” Lage herausfinden.
Janusira-Merudandasana
Wir liegen auf dem Rücken und vergessen die Außenwelt mit allen Sorgen, Problemen und allem Leid. Das Gewicht des Körpers ruht auf der Erde. Ebenso ruhen die Gefühle und die Gedanken. Das Bewußtsein aber geht nach innen, dorthin, wo ich das Gefühl habe, daß ich bin.
Aus dieser Ruhestellung heraus beginnen wir die Übung mit der Konzentration auf gute Funktion der inneren Organe. Ohne Bewegung atmen wir tief ein und nehmen viel Kraft in uns auf. Dann atmen wir langsam aus und ziehen dabei das linke Bein gebeugt an. Den Kopf heben wir gleichzeitig hoch, bis die Stirn das Knie erreicht. Wir verharren einen Augenblick in dieser ausgeatmeten Haltung, dann atmen wir wieder ein, strecken dabei das Bein und legen es leise auf den Boden zurück. Auch den Kopf legen wir gleichzeitig wieder hin. Dann atmen wir ruhig und beherrscht aus und übergeben das Gewicht des Körpers wieder der Erde. Das heißt: wir lassen alle Muskeln locker und fühlen, wie schwer der Körper auf der Erde ruht.
Diese Entspannungspausen sind so wichtig, weil durch diese absolute Ruhe das vegetative Nervensystem normalisiert wird, die Nervenzentren sich wie Akkumulatoren wieder mit Pranakräften auffüllen, und der ganze Körper wunderbar durchblutet wird.
Wir üben dreimal mit dem einen und dreimal mit dem anderen Bein. Geht die Übung mit einem Bein gut, so können wir auch mit beiden Beinen üben, achten aber darauf, daß die Knie, wenn sie die Stirn berühren, zusammenbleiben. Die Arme lassen wir während der Übung schön locker an der Seite.
Weder Hände noch Ellenbogen helfen nach, die Stirn an die Knie zu bekommen. Wir wollen es ganz allein durch die Bauchmuskeln schaffen, die durch diese Übung gekräftigt werden. Überflüssiges Gewebe, das sich besonders gern in dieser Gegend ansetzt, wird abgebaut, besonders, wenn wir diese Übung noch etwas variieren, indem wir das Bein mit der Einatmung nicht wieder ausstrecken und auf den Boden legen, sondern es ausgestreckt einen Augenblick in der Luft festhalten und dann mit der Ausatmung gleich wieder an die Stirn ziehen. Erst wenn wir es dreimal angezogen haben, legen wir es wieder zur völligen Entspannung auf den Boden. Auch mit beiden Beinen kann so geübt werden. Es ist darauf zu achten, wenn wir das Knie an die Stirn ziehen, daß wir nicht zur Seite kippen, sondern den Rücken rund und gleich mäßig beanspruchen, und daß das am Boden liegende Bein auch wirklich gestreckt bleibt. Janusira-Merudandasana wirkt belebend auf alle inneren Organe.
Während der Übung werden sie stark zusammengedrückt und gepreßt und bei der Entspannung wieder gut durchblutet und mit frischen Nährstoffen versorgt. Besonders günstig wirkt sich die Übung auf die Trägheit des Darmes aus. Er wird durch den Druck (ganz gleich ob von innen oder außen) angeregt, und somit wird die Verdauung gefördert. Natürlich wird auch die Biegung der Wirbelsäule als sehr angenehm empfunden, da ja dadurch gleichzeitig eine Belebung und Entlastung der Nerven und Bandscheiben erzielt wird.
Quellenhinweis:
Gerlinde Fiedler, Hilfe durch Yoga, Metzmaier Verlag