Zeitdiebe und Energieräuber
Zeitdiebe sind per se auch gleichzeitig Energieräuber. Schon gemerkt? Unmerklich schleichen sie sich ein, machen Komplimente, um Ihre Aufmerksamkeit zu erringen, Fragen “naiv” nach Hilfe und Ihrer Beurteilung in dieser oder jener Angelegenheit. Sie schleichen sich ein, und sie schleichen sich aus, beinahe unbemerkt. Am Ende aber fehlt Ihnen die Zeit. Und mehr: Sie haben Ihre Konzentration (=Energie!) eingesetzt und erhalten nicht einmal ein qualifiziertes Feedback auf Ihren Rat oder ihre praktische Unterstützung, nichts. Der Kreislauf bleibt geöffnet, einfach unbeendet. Man kann da gelegentlich noch von Glück reden, wenn nicht gleich parallel auch nach Geld gefragt wird – das dann ebenfalls im Orkus verschwindet.
Seitenblick:
Bluma Zeigarnik, engagierte Schülerin von Sigmund Freud, entdeckte einen Effekt, der nun ihren Namen trägt (“Zeigarnik-Effekt”). Zeigarnik entdeckte, daß mit einer Idee oder einer (bewußt oder auch unbewußt) getroffenen Entscheidung alle erforderlichen “Energien” bereitgestellt werden, diese Idee oder das entschiedene Vorhaben zu realisieren. Sie stellte ebenfalls fest, daß im Fall einer Verzögerung oder einer Nichtrealisierung alle diese Energien “blockiert” seien, daß dieser “Block” an Energie damit für die tägliche Lebenspraxis “fehlt” – bis die Idee umgesetzt ist, oder aber eine neue Entscheidung – zum Beispiel eine NEIN-Entscheidung – getroffen wird. Spannend, zumindest als Denkmodell oder Hypothese. Wer in der Praxis darauf achtet, sammelt sicher Erfahrungen, die dazu passen.
Das könnte auch erklären, warum Manager, die nichts anbrennen lassen und täglich eine Vielzahl entsprechender Entscheidungen treffen, oftmals energetisch so gut drauf sind (=wenig blockierte Energie). Das könnte auch erhellen, warum Erfolgstrainer und NLP-Therapeuten so fokussiert auf das Thema “Entscheidung” sind: Nur Entscheidungen führen auch zu Klärungen – zumindest dann, wenn wir AKTIV unser Leben leben, also eher Hammer als Amboß sind.
Und ganz nebenbei: Entscheidung bedeutet auch Trennung, nämlich Scheidung. Trennung von zum Beispiel falschen oder vernebelten Vorstellungen, oder eben auch Trennung von Menschen, die uns in ihre vernebelten Gedanken hineinziehen wollen … damit “unsere” Energie dort zum Nutzen des/der anderen wirkt oder – zumindest zeitlich – für uns selbst nicht mehr zur Verfügung steht.
Dazu eine Geschichte:
Ein deutsches Ehepaar verbrachte einen wunderschönen Urlaub in Afrika. Sie waren untergebracht in individuellen, einfachen Hütten. Als sie eines Abends vom Restaurant zurückkamen, erschraken sie fast zu Tode: eine fette Schlange lag mitten im halbdunklen Raum. Die Frau erstarrte zur Salzsäule, der Mann tastete ganz vorsichtig zum Lichtschalter. Dann erhellte das Licht den Raum, und, oh Wunder, die Schlange entpuppte sich als Seil.
Der Unterschied: Mehr Energie (in diesem Fall: Licht), und wir können leichter erkennen was wirklich ist. Mit unserer Konzentration ist das ähnlich: wir geben mehr Energie auf einen Punkt und sind dann leichter in der Lage, zu erkennen, was wirklich ist.
Hypothese: Menschen, die unsere Aufmerksamkeit (= Konzentration) einfordern oder erschleichen, können oftmals nicht erkennen, was sie selbst im Kopfe haben. Anscheinend kennen sie die Funktionen von Konzentration nicht. Deshalb glauben sie – bewußt oder meistes leider unbewußt -, daß sie die Taschenlampe unseres Geistes zur Beleuchtung benötigten.
Was sind das für Menschen? Sie kommen meist wie aus dem Nichts und stehlen Ihre Aufmerksamkeit, mit anderen Worten: Sie stehlen Ihre Zeit. Und damit letztlich vielleicht sogar indirekt ebenfalls Ihr Geld (was bei Selbstständigen sich eben gleich mit einem minus in der Kasse niederschlägt.)
Wie gehen sie vor?
Sie wollen, daß man ihnen einen Gefallen tut (und damit ist die Falle geöffnet, der Stolperstein gelegt, über den wir nur allzu häufig dann selber fallen, wenn wir ihnen den Ge-fallen tun).
Ich traf einige Menschen, die gar nicht davon lassen konnten, meine Energie zu stehlen, nämlich meine Zeit zu belegen oder zu überlagern – mit irgendwas. Typischerweise sind nach meiner Beobachtung Menschen, die im wesentlichen mit ihrem Telefon leben, denen irgendwann zwischendurch, meistens beim Autofahren, etwas einfällt, mit dem sie mich “belatschern” können. Oftmals wäre ja der reine Informationsaustausch (oder Faktenabgleich) in 2-5 min erledigt, alles wäre gesagt. Aber dann legt eine Endlos-Schleife los, es kommt noch dies, es kommt noch das, und immer, wenn ich das Gespräch eigentlich schon beenden will, wird noch einmal nachgelegt – ob sich der Hund der Nachbarin im Schlamm gewälzt hat, die neuen Autoreifen perfekt fahren, man XYZ wieder anrufen müsse, die Ehefrau oder der Ehemann einen neuen Job bekommen kann … ehrlich gesagt: das interessiert mich so wenig wie ein in China umgefallener Sack Reis. Und so werden aus zwei oder 5 min dann 30 oder 40 min.
Natürlich frage ich mich, warum ich diesen – immer noch zu oft – nachgebe. Ist es Nachsicht, Höflichkeit, Freundlichkeit, Freundschaft? Oder ist es einfach eine eigene Schwäche, die Unfähigkeit, in vielen Fällen einfach NEIN zu sagen?
Ich kenne derzeit drei aktive Zeit Räuber, die mich (eben anscheinend typischerweise) fast ausschließlich aus ihrem Auto heraus anrufen. Da haben sie anscheinend wenig zu tun, oder man kann sich ja gerade einmal etwas einfallen lassen, warum man mich anruft. Und das passiert dann auch noch ungeordnet, nämlich dahingehend, dass vielleicht drei oder vier Anrufe in kurzem zeitlichem Abstand nacheinander erfolgen. Weil dem oder der Betreffenden eben gerade NOCH etwas eingefallen ist. Neben der Zeit, die dabei drauf geht, empfinde ich so etwas schon als Telefon-Terror. Laufend klingelt das Telefon. Immerwährende Bereitschaft (unser beliebtes Mobiltelefon). Aufmerksamkeit auf Abruf. Das ist einfach nicht mehr gesund.
Es handelt sich selbstverständlich auch immer um” nette Menschen”, sonst würde ich sowieso nicht mit denen reden. Aber ein Charakterzug sticht hervor: die Betreffenden reden lange und mit allen möglichen Seitenzweigen (Telefon oder Skype), aber sind nur in seltenen Ausnahmefällen in der Lage, einen sauberen Brief (auch ohne Rechtschreibfehler) zu formulieren und zu schreiben, geschweige denn eine sauber gegliederte Aktennotiz zu einem Vorgang anzufertigen. Vielmehr lassen sie alles im (unverbindlichen) Fluß, nämlich nichts schriftlich, nichts wirklich verbindlich, alles mündlich. Wenn so etwas praktische Arbeitsprozesse betrifft, ist das im Anschluß noch einmal zeitaufreibend und anstrengend, alles muß nämlich in den Einzelheiten ja dann nachvollzogen werden und letztlich muß ein Schriftstück (damit: ein “geistiger Abschluß”) angefertigt werden, daß das Wesentliche auch tatsächlich wiedergibt, in sich konsistent ist oder mögliche Widersprüche auch ganz klar aufzeigt.
Zahlen Sie dafür? Es war doch nur ein Gespräch. Es war doch nur eine Aktennotiz. Es war doch nur eine Idee, die “besprochen” wurde. Nur.
So etwas geht oftmals konform mit dem platten Ansinnen “Kannst Du mal schnell…?”. Solche Menschen haben selten einen Sinn dafür, daß eigentlich nichts wirklich schnell geht, bis auf die Ausnahmen, wo wir ein Leben lang intensiv gelernt und trainiert haben, um bestimmte Dinge schnell machen zu können (Man denke beispielsweise an einen Tai-ChiMeister…). Das wird aber weder gesehen noch anerkannt. Was müssen solche Leute für ein Selbstbild von sich haben (wenn sie es haben), wie ist Ihr Selbswert-Gefühl?
” Ich brauche gerade einmal deine Hilfe….”. Da wird schnell etwas dahin geplappert, weil sich alles (noch) im vagen Stadium einer Idee befindet oder noch davor – nach dem Motto: Bitte liefere DU mir die PASSENDE Idee. Aus dem schnell Dahingesagten, ohne viel Aufwand, entsteht dann im Nachgang oftmals viel Arbeit. Während man sich schon in der Unterhaltung selbst stark konzentrieren muß, alle Antennen der Wahrnehmung ausfährt, um die Basisinformationen erkennen zu können (von Faktenlage wollen wir noch nicht einmal sprechen), erfolgt (bei uns) meist schon während des Gespräches, aber auch im Nachgang, eine analytische Betrachtung, und bis das Ganze dann verdaut ist, ist ein respektabler Aufwand entstanden (Zeit, Konzentration, Einsatz von Können – auch als “Vermögen” bezeichnet – auf Basis laufenden Trainings). Da es ja alles so leicht dahingesagt ist in dem (eingeschränkten) Bewußtsein, daß der Sagende selbst natürlich der Schöpfer aller Dinge ist, fällt die Anerkennung dessen, was der Aufnehmende und Verarbeitende leistet, um so schwerer. Um nicht zu sagen: ich (der aktiv Sprechende) bin ja der wirklich Denkende und Handelnde, und du bist ja bloß ein passiver Empfänger, eine Kotzwand oder der Beichtvater, und vielleicht eher ähnlich einer Putzhilfe, die alles sauber macht, ordnet und aufräumt.
Ich möchte hier noch auf eine dritte Gruppe von Zeit- und Energiedieben hinweisen. Solche Menschen plappern und klappern und plappern, schier ohne Unterlaß, und suchen in Wirklichkeit nach dem Schlüssel dessen, was sie da so vor sich hin plappern. Anscheinend sind solche Menschen unfähig, zu reflektieren. Wir haben ja hier im Blog einige gute Beiträge zum Thema Meditation und Kontemplation, die könnten ja bereits, würde man sie lesen, verstehen und deren Lehren anwenden, recht gute Hilfestellungen leisten. Aber das ist anscheinend zu viel verlangt (LESEN ist ja passiv, REDEN dagegen AKTIV, oder?). Vielleicht haben alle diese Menschen noch nicht die Erfahrung machen können, daß SELBST denken sehr erfüllend sein kann?
Alternativlos: Gerade erinnere ich mich an ein Gespräch, das sich diese Woche führte. Ich charakterisierte einen Menschen, den ich gut kenne und den ich (als Mensch) sehr schätze, daß er meines Erachtens ein “Merkel-Regime” führe: Alles sei für ihn immer alternativlos. Egal was passiere, nur das, was er für richtig empfinde, sei auch richtig. Die Tatsachen sprechen dem allerdings entgegen. Früher nannte ich solche Typen “beratungsresistent” (das sind Menschen, besser Kunden, mit denen ich im Laufe meiner Berufstätigkeit zu tun hatte, die sogar Aufträge vergeben, aber letztlich alles, was geliefert wird, grundlegend bezweifeln oder gleich in den Papierkorb werfen oder es zumindest als “unpraktisch” oder “realitätsfern” verwerfen. “Ungläubige”- dieser Begriff würde auch zutreffen, denn sie sind zu geistigen Höhenflügen, Hypothesen und Denken in Szenarien nur begrenzt fähig. Solche Menschen habe ich immer gemieden. Selbst wenn sie Geld ausgeben (Aufträge erteilen und bezahlen) – letztlich ist mir meine wertvolle Lebenszeit zu schade dafür, für den geistigen Papierkorb anderer zu arbeiten. Achtung: auch solche Menschen sind einfach nur Zeitdiebe und Energieräuber.
Ergänzung durch Freund U.: Es hat noch einen weiteren Aspekt, der mit der Integrität und der Verletzung derselben zu tun hat. Die Regel lautet:
“Sende oder empfange keine Kommunikation, wenn Du es nicht wirklich willst.”
Jeder Bruch dieser Regel, verletzt Deine Integrität und wirkt sich sehr negativ aus.
Es gibt Leute, die rufen mich gelegentlich 6, 7 mal an in einem Zeitraum von 2 Wochen – bevor ich zum Hörer greife und das Gespräch annehme. Aber dann hab’ ich auch Bock drauf und laß’ es bewußt zu! Also meine Entscheidung. Nur so geht es.
Körperdarsteller: Noch schlimmer sind die Leute, die stets ihren Körper präsentieren müssen. Für Sachverhalte, die mit einem kurzen Memo hin und her geklärt werden können, wollen sie unbedingt persönliche Treffen, alles ganz wichtig! (Alles nonsens und viel einfacher regelbar! Es gibt eMail, Telefon, Skype, und viele andere Möglichkeiten der Kommunikation, zur Not eben auch mit Bildübertragung.). Aber zugegeben: in MANCHEN Fällen macht ein persönliches Treffen Sinn…
Das erinnert mich nun an eine alte Erzählung:
Ein reicher Jude ging zu seinem Rabbi und beklagte sich bitter. “Rabbi”, sagte er, “ich habe ein großes Problem und brauche deinen Rat.” “Nun erzähle”, sagte der Rabbi. “Weißt du, viele Menschen wollen Geld von mir. Da kommen die Freunde und Fremde und fragen mich, ob ich Ihnen denn etwas leihen könne von meinem Gelde. Jedes Mal stehe ich vor schwierigen Entscheidungen, es raubt mir so oft den Schlaf. Was soll ich nur tun?”
“Nun”, sagte der Rabbi, ” ich rate dir folgendes: denen, die du nicht kennst, gibst du Geld. Und du wirst sie niemals wiedersehen. Und deinen Freunden gibst du kein Geld. Und du wirst sie auch niemals wiedersehen. Und dann hast du endlich deine Ruhe und einen guten Schlaf.”
Dietmar Hannebohn
Dietmar Hannebohn ist seit 1977 selbständiger Strategie- und Kommunikationsberater