»Geben und nehmen ist der Pulsschlag der Schöpfung«, es ist der Rhythmus unseres Lebens. Geben und nehmen ist auch die Grundbewegung, in der und durch die wir in unserer Welt Liebe erfahren. Sich mit diesem Rhythmus zu beschäftigen und bewußt das Annehmen und Geben der Liebe zu pflegen ist ein Weg, um mehr Freude, Freiheit und Erfüllung zu erfahren, um den Strom der Liebe immer freier in uns und durch uns fließen zu lassen.
Wir können nur leben, indem wir ständig ein- und ausatmen, d. h., indem wir über den Atem Lebenskraft aufnehmen und dann wieder abgeben. Ebenso lebensnotwendig wie dieser Rhythmus ist jener des Annehmens und Gebens von Liebe – nur ist er nicht so unwillkürlich geregelt und unmittelbar feststellbar wie der des Atmens. Der Rhythmus der Liebe vollzieht sich in einer großen Spannbreite und in einem weiten Feld von Freiheit und auch von Abhängigkeit.
Als Kleinkind brauchen wir Liebe in Form von Nahrung, Fürsorge und Zuwendung, um physisch und psychisch überleben und wachsen zu können. Wir waren in großem Maße von der Art der Liebeszuwendung unserer Eltern abhängig und hatten nicht die Möglichkeit, so bewußt wie heute Liebe anzunehmen und weiterzugeben. Doch heute – hier und jetzt – haben wir die Möglichkeit. die Art und Weise, wie wir mit Liebe umgehen, zu erkennen und darauf auszurichten, wie wir leben und lieben möchten.
Wir können viel über unseren Rhythmus der Liebe erfahren, indem wir aufmerksam und aufrichtig unsere Gefühls- und Verhaltensweisen im Umgang mit uns selbst und unseren Nächsten wahrnehmen und beobachten. Wir können diesen Vorgang der Selbstklärung und -befreiung vertiefen, wenn wir uns auf Fragen, Übungen und Bejahungen wie die folgenden einlassen.
Ich lade Dich dazu ein, mit den diesen Anregungen und Übungen eigene Erfahrungen zu sammeln. Dabei schlage ich Dir vor, in jeder Woche eines der Kapitel durchzugehen und die beschriebenen Übungen auszuführen.
In der Welt und in mir gibt es unendlich viel Liebe. Wieviel ich davon erfahre, hängt davon ab, wie offen ich für diese Liebe bin, d.h. wieviel Liebe ich für mich selbst annehme und wieviel ich weitergebe, in welcher Weise ich mich selbst und das Lehen liebe.
Meine Einstellung und Liebe zum Leben
Unsere Einstellung und Liebe dem Leben gegenüber ist meist von uns kaum bewußten Erfahrungen bestimmt: wie wir bei unserer Geburt auf dieser Welt empfangen wurden, welche Art von Zuwendung wir in den ersten Lebensmonaten erhalten haben, welche Eigenschaften und Reaktionsweisen wir schon mit in dieses Leben gebracht und später entwickelt haben. Wie diese Einstellung auch immer zustande gekommen sein mag, sie ist jetzt meine innere und äußere Haltung. Diese kann ich wahrnehmen, wenn ich mich bewußt verschiedenen Haltungen aussetze. Eine einfache Methode hierzu besteht darin, daß ich eine Aussage über eine gewünschte Lebenseinstellung für mich bejahe und darauf achte, was diese Aussage in mir bewirkt. Nehmen wir als Beispiel die Aussage: »Das Leben meint es immer gut mit mir.« Wie wirkt dieser Satz auf Dich? Um dies deutlicher zu fühlen, schließe die Augen, spüre Deinen Atem und spreche oder denke ihn. – Wenn Du ein Gefühl, einen Gedanken, einen Kommentar oder sonst eine Reaktion in Dir wahrgenommen hast, schreibe sie auf.
In dieser Weise kannst Du Dir über diese und ähnliche Aussagen einige grundlegende Haltungen noch bewußter machen – und Du hast einen Ansatzpunkt zur Veränderung. Denn bejahende Aussagen wirken zum einen auf der psychischen Ebene (in unserem Gemüt), indem sie eine Reaktion oder Antwort in uns auslösen können und uns bewußt machen, ob wir die gewünschte Einstellung (= Bejahung) innerlich akzeptieren können oder nicht, d.h. ob Einwände und Vorbehalte dagegen stehen. Falls wir Einwände wahrnehmen, können wir eine Bejahung finden, die uns hilft, die hemmende Einstellung in eine förderliche umzuwandeln. Denn Bejahungen sind zum anderen ein kraftvolles Mittel, um das in unsere Erfahrung zu ziehen, was wir zu leben wünschen. Was wir bejahen, das ziehen wir durch eine stets wirksame
Gesetzmäßigkeit an. Die allgegenwärtige Kraft des Geistes fließt in diese Worte und wirkt durch sie – einfach dadurch, daß wir unsere Aufmerksamkeit (das ist unser ausgerichteter Geist) auf sie richten, sie denken, uns in sie einfühlen und am besten auch noch aussprechen und aufschreiben.
Gib Dir jetzt das wertvolle und machtvolle Geschenk, Dich mit dem zu beschäftigen, was und wie Du zu leben und zu lieben wünschst! Ich gebe Dir einige Bejahungen, die Dir als Anregungen dienen können, um Deine Einstellung dem Leben gegenüber klarer zu erkennen und die Haltung einzunehmen, durch die und mit der Du den Rhythmus der Liebe erfahren möchtest.
»Das Leben will immer mein Höchstes und Bestes«
»Alles schätzt mein Dasein«
»Alles Leben freut sich über mich«
»Das Leben fördert mich«
»Das Leben schenkt mir Erfüllung und Freude«
»Gott liebt mich«
»Der Allgeist sorgt für mich auf wunderbare Weise«
»Gottes Intelligenz führt mich immer richtig«
»Das Licht des Geistes erleuchtet mich«
Wähle Dir nun selbst eine Bejahung, die Deine von Dir gewünschte Lebenseinstellung ausdrückt. Schreibe diesen Satz auf und notiere Dir daneben oder darunter, was Dein Gemüt dazu sagt, welche Antwort Du in Dir wahrnimmst. Dann schreibe die gewählte Bejahung noch neun mal auf, und immer daneben Deine Antwort, sei sie ein volles »Ja«, ein »Naja« oder ein Einwand und Zweifel. Jede Antwort darf da sein und von Dir wahrgenommen werden, es gibt dabei kein falsch oder richtig. Dann gehe mit dieser Bejahung durch die nächste Woche. Um Dich an sie zu erinnern und sie gegenwärtig zu haben, kannst Du Dir ein schönes Hilfsmittel bereiten, indem Du die gewählte Bejahung auf eine kleine Karte schreibst und diese mit Dir führst: in der Hosen-, Rock-, Hand- oder Brieftasche, auf Deinen Tisch legst oder an die Wand hängst. Spiele dabei mit Deiner Kreativität. Die oben aufgeführten Sätze sagen etwas darüber aus, wie wir das Leben in uns annehmen. Die Haltung des Nehmens ist nur die eine Seite. Und um nicht einseitig zu sein, sollten wir sie ausgleichen durch die Haltung des Gebens. So können wir die Bejahung, die wir gewählt haben, auch in der Form des Gebens formulieren. Hier einige Beispiele:
»Ich liebe das Leben«
»Ich/reue mich über alles Leben«
»Ich gebe allem Leben meine Freude weiter«
»Ich strahle Liebe in meine Umgebung aus«
»Gutes geht von mir aus, und Gutes kehrt zu mir zurück«
»Ich gebe mein Bestes, und das Beste empfange ich«
Selbstannahme – Selbstliebe – Selbstausdruck
Wir können das Glück der Liebe nur erfahren, wenn wir uns selbst lieben. Wir können uns selbst nur lieben, wenn wir uns so annehmen, wie wir sind, das heißt zunächst: so annehmen, wie wir uns erfahren. Um zu fühlen, ob Du Dich selbst gerade annimmst, hier wieder einige Aussagen. Lasse sie in Dir nachklingen und fühle nach, welche Antwort in Dir ist. Du kannst hierzu eine der Aussagen auswählen und sie wieder mehrmals sprechen oder schreiben und die Antworten wahrnehmen und aufschreiben.
»Ich nehme mich so an, wie ich bin«
»Ich schätze mich so, wie ich mich erfahre«
»Ich bin in Ordnung«
»lch bin ein wunderbares Wesen«
»Ich liebe mich«
Wenn Du diese Aussagen gefühlsmäßig und gedanklich für Dich akzeptieren kannst, freue Dich darüber. Wenn nicht, kannst Du dafür dankbar sein, daß Du auf dem besten Wege bist, dies zu lernen. Ein wichtiger Schritt hierzu ist das Vergeben. Wenn ich mich nicht annehmen kann, dann ist etwas in mir, was ich mir zu vergeben habe: hier treffen sich Nehmen und Geben wieder in ihrer unaut1ösbaren Einheit. Nimm Dir jetzt oder bei der nächsten Gelegenheit Zeit und Raum, um Dir etwas Gutes zu geben, indem Du eine »Übung«
des Vergebens machst. Du setzt Dich hin, schließt die Augen, atmest bewußt und sagst: »Ich vergebe mir.« Was immer nun in Dein Bewußtsein kommt, sprich es aus, indem Du es immer wieder mit der Aussage verbindest »Ich vergebe mir …. «. Falls es Dir schwer fallen sollte, Dir selbst zu vergeben, kannst Du auch sagen: »Gott vergibt mir.« Mache diese Übung so lange, bis Du fühlst, daß in Dir etwas ins Fließen kommt, daß sich etwas löst. Lasse dabei Deine Emotionen und Gedanken zu. Atme, so gut Du gerade kannst, bewußt und spüre auch Deinen Körper. Schließe diese Übung mit Gedanken der Dankbarkeit ab, indem Du Dir selbst, dem Leben oder Gott für Deine Befreiung dankst.
Für diese zweite Woche lade ich Dich ein, der Frage nachzugehen: »Was gebe ich mir selbst als Ausdruck dessen, daß ich mich liebe?« Nimm Dir ein paar Minuten Zeit, um diese Frage in Dir wirken zu lassen und schreibe Deine Antworten auf, z.B. in der Form: »Ich liebe mich, indem ich mir …. gebe.«
Übe Dich dabei im Möglichkeiten-Denken, d.h. schließe alles ein, was Dir einfällt: seien es gute Gedanken, Anerkennung, sei es Zeit für angenehme Tätigkeiten oder Dinge … Nachdem Du diese Liste zunächst beendet hast, wähle etwas aus, was Du in dieser Woche besonders beachten möchtest – und tue es, gib es Dir oder vergib es Dir. – Hier noch einige Anregungen für Selbstannahme und Selbstausdruck in Form von Bejahungen.
»Ich anerkenne mich heute dafür, daß … «
»Ich schätze mich für meine Bereitschaft, … «
»Ich bin gut und liebenswert, so wie ich bin«
»Ich bin berechtigt. bereit und fähig, mich ganz zu lieben«
»Ich bringe mich frei zum Ausdruck«
»Ich lasse mein Licht leuchten«
»Je mehr ich es liebe zu sein, was ich bin,
desto mehr bin ich, was ich gern sein möchte«
Meine Liebe zu meinen Nächsten
Eine wichtige Voraussetzung für eine liebevolle Beziehung zu unseren Nächsten (Partner, Kinder, Eltern, Freunde, Kollegen usw.) liegt darin, wie bewußt wir mit unseren Erwartungen ihnen gegenüber umgehen. Dazu müssen sie mir erst einmal bewußt sein. Bewußte Erwartungen kann ich klar zum Ausdruck bringen oder auch loslassen, falls sie einem freien Auf-einander-Zugehen im Wege stehen. Nimm Dir in dieser (dritten) Woche Zeit, Dir Deine Erwartungen gegenüber dem Menschen bewußter zu machen, der für
Dich der nächste ist. Dies kannst Du tun, indem Du Dich während des Tages beobachtest, eine Tagesrückschau machst und Dir Zeit zur Beantwortung folgender Fragen nimmst: »Was möchte ich von meinem Nächsten empfangen? Welche Erwartungen habe ich an sie oder ihn? Was gibt sie/er mir? was nicht? Welche Erwartungen will ich loslassen?«
Je mehr wir geben. desto Größeres empfangen wir. Und je mehr wir empfangen, desto reicher sollten wir geben. Nur so rufen wir größere Fülle hervor und lösen das Gesetz des Gebens und Empfangens aus.
(K.O. Schmidt)
Eine andere wichtige Voraussetzung für eine liebeserfüllte Beziehung oder Partnerschaft liegt in unserer Bereitschaft und Fähigkeit zu geben. Indem ich Liebe gebe, erhalte ich Liebe zurück. Will ich mehr Liebe in meinen Beziehungen erleben, bin ich dazu aufgerufen, mehr Liebe in Umlauf zu setzen. Es beginnt mit meiner Bereitschaft zu geben. Deswegen können folgende Fragen sehr hilfreich sein: »Was kann ich meinem Nächsten geben? Wie kann ich meine Liebe ihr/ihm gegenüber zum Ausdruck bringen? Wie kann ich ihr/ihm sagen und zeigen, daß ich sie/ihn anerkenne, schätze, liebe? Welche gute Gedanken, Bejahungen und welche Anerkennung des wahren Wesens lasse ich ihr/ihm zukommen? Was kann ich für sie oder ihn tun?«
Wir sind auch oft in der Liebe festgefahren, d.h. wir haben Gewohnheiten, wie wir unsere Liebe unseren Nächsten zeigen und zum Ausdruck bringen. Wir haben aber noch viel mehr Möglichkeiten und Fähigkeiten als unsere gegenwärtigen Gewohnheiten in uns. Es macht Freude, diese zu entdecken und zu aktivieren.
Zum Schluß lade ich Dich noch zu einer meditativen Übung ein, die auch dann für Dich selbst hilfreich sein kann, wenn Du mehr Liebe fühlen möchtest.
Setze Dich entspannt hin, spüre Deinen Atem und fühle Dich so wohl mit Dir, wie es gerade geht. Gestehe Dir zu, daß Du so, wie Du Dich im Augenblick empfindest, in Ordnung bist. Anerkenne, daß in Dir die unendliche Kraft der göttlichen Liebe ist und daß sie jetzt durch Dich wirkt. Dann denke an einen Menschen, den Du sehr magst. Lasse ihm liebevolle Gedanken und Gefühle zufließen. Hierzu gibt es viele Möglichkeiten: z.B. kannst Du Dir vorstellen, daß sie oder er von Licht und einer liebevollen Gegenwart durchdrungen ist, Du kannst liebevolle bejahende Gedanken formulieren oder Dich auf Dein Herzzentrum (zwischen Deinen Schulterblättern) ausrichten, dort bewußt atmen und den anderen gefühls- und vorstellungsmäßig in diesen Atem der Liebe miteinbeziehen. Mache dies ca. drei bis fünf Minuten und lasse dann diesen Menschen los. Wähle dann jemanden, dem gegenüber Du bisher weder Sympathie noch Antipathie empfunden hast, den Du vielleicht nur vom Sehen kennst und der Dir bisher gleichgültig war. Lasse auch ihm liebevolle Gedanken und Gefühle für ca. drei bis fünf Minuten zukommen.
Das gleiche mache mit einem Menschen, den Du unsympathisch findest oder mit dem Du Probleme hast. Zum Schluß kannst Du alle Menschen, die Du ausgewählt hast, in Deiner Vorstellung zusammen dasein lassen. Beziehe sie gemeinsam in Deinen Rhythmus der Liebe ein.
Möge Dein Lehen und das Leben Deiner Nächsten in diesem Rhythmus der Liebe auf erfüllende Weise schwingen.
Günter Alfred Furtenbacher
Günter A. Furtenbacher war als Seminarleiter (viele Jahre gemeinsam mit Rosemarie Schneider-Bassett), Coach und Therapeut tätig. Heute lebt er in Ruhestand mit seiner Partnerin nahe der Wachau (Niederösterreich) und übt sich in der Kunst der Gelassenheit.