Du sollst nicht lügen!


Vorwort

Meine Eltern haben mich zur Wahrhaftigkeit erzogen, dazu, den inneren Überzeugungen Ausdruck zu verleihen und aus den Resonanzen der Menschen um mich herum Schlüsse zu ziehen, abzugleichen – und schließlich daraus zu lernen, Überzeugungen und Verhaltensweisen soweit anzupassen, daß ein soziales Miteinander möglich werden kann und unterstützt wird. Sie lehrten mich, das Neue Testament zu lesen und die Zehn Gebote zu verstehen und zu beachten. Dafür danke ich Ihnen. Das achte Gebot nahmen wir in der Familie, und selbstverständlich konsistent auch gegenüber Außenstehenden, als Grundlage für eine klare, ehrliche und direkte Kommunikation; ich interpretierte das “Du sollst kein falsch Zeugnis reden wider Deinen Nächsten” ein klein wenig um, machte es kürzer und sagte einfach “Du sollst nicht lügen”.

Im Verlaufe meines 45-jährigen Berufslebens entfaltete ich meine Möglichkeiten in den verschiedensten Bereichen, und die meisten hatten sehr direkt mit Kommunikation zu tun, in Wirtschaft, Finanzen und Politik, mit den verschiedensten Kommunikationskanälen (“Medien”). Mir fiel als Ergebnis vieler Analysen und Untersuchungen auf, daß die meisten Probleme hervorgerufen werden durch ungenaue oder sogar bewußt verfälschte Kommunikation. Extrem wirkt sich das aus in “Führung” (Mitarbeiter, Nation usw.). Wie anscheinend viele Bürger dieses Landes habe ich mich häufig gefragt, was uns denn nun dieser oder jener Politiker sagen will, was diese oder jene Verlautbarung tatsächlich beinhaltet. Ich lernte zwangsläufig, zwischen den Zeilen zu lesen und wunderte mich über Verklausulierungen und stellte noch häufiger hohle Phasen fest, besonders dann, wenn professionelle Public Relations-Agenturen involviert wurden.

In jüngerer Zeit blitzte dann der Begriff “Lügenpresse” durch die Medien und ich fühlte mich veranlaßt, über dieses “Unwort des Jahres 2014” zu reflektieren. Daraus sind Überlegungen entstanden, die eindeutig zurückführen auf das achte Gebot, und es gibt selbst wissenschaftliche Belege dafür, daß die Mißachtung des achten Gebotes tatsächlich zu ernsthaften Schwierigkeiten führt, nicht nur in der Umwelt, sondern auch zu Lasten der persönlichen Gesundheit und auch zu Lasten des persönlichen Denkvermögens DER SENDER solcher Nachrichten und Botschaften. Darüber werde ich in mehreren Beiträgen ausführen, da ich es nicht geschafft habe, bisher jedenfalls nicht, die Kernaussagen auf eine einzige Seite zu bringen.

Bei allen Darlegungen bitte ich um Nachsicht, wenn es so aussehen könnte, als würde ich einseitig fokussieren wollen. Ganz bewußt vielmehr karikiere ich, betone manche Aspekte, um das eigene Denken des Lesers anzuregen und zu einem eigenen persönlichen Aspekt zu gelangen. Ich bin mir bewußt, daß auch ich damit “manipuliere” im Sinne von Watzlawick (“Wie wirklich ist die Wirklichkeit”).

Ich danke in diesem Zusammenhang meinen vielen Lehrern und insbesondere meinen Yogalehrern Babji, Lahiri Mahasaja, Sri Yukteswar Giri, Yogananda und nicht zuletzt Roy Eugene Davis, der (u.a.) mit seinem Buch “Die Macht der Seele” einen überzeugenden Beitrag für unser aller Seelenwohl geleistet hat. Mein Lebensweg ist lang und ich kann deshalb gar nicht alle klugen und weisen Menschen, denen ich auf verschiedenen Kontinenten und in vielen Ländern begegnen durfte, hier anführen. Deshalb: Dank an alle. Ausdruck meines Dankes sind die weiteren Ausführungen, mit denen ich einige wenige Aspekte die hoffentlich manche Seiten in ihnen zum schwingen bringen und sie zu neuen, möglicherweise gelegentlich unerwarteten Erkenntnissen führen.

Also nun zu: Du sollst nicht lügen!

EU-“Chef” Juncker’s Satz in Brüssel ist an Klarheit kaum zu überbieten: “Wenn es ernst wird, muß man lügen”. (FAZ.net, 10.05.2011) Juncker sagte das kurz vor Ostern 2011 bei einer Preisverleihung in der bayerischen Landesvertretung. Er wollte damit möglicherweise sagen, wenn wir nicht lügen, fallen die Leute nicht auf unsere EU herein, würden die Menschen beginnen, diese seltsame künstliche Verwaltungsstruktur, ungewählt und ohne Hoheitsrechte und sich doch gebärdend als diktatorischer Krake, der tief in das Leben jeder einzelnen Nation und jedes Bürgers dieser Nationen eingreift, endlich – und hoffentlich grundlegend – zu hinterfragen.

Das gefährlichste Moment besteht aus meiner Sicht darin, daß er – zu diesem Zeitpunkt und langjährif – “die offizielle Führungsfigur” der EU war, Vorbeter und Repräsentant unserer “Kultur christlich-westlicher Werte”. Zur Wertestruktur eines Volkes gehören jedoch die von tiefen Erfahrungen geprägten Weisheiten, und eine (deutsche) davon lautet: “Wie der Herr, so’s Gescherr”. Wenn aber bereits der “oberste Herr der EU” die Lüge als legitimes Instrument postuliert, was erwartet er – und seine Mitläufer – von den Völkern und einzelnen Bürgern der Europäischen Union, der Wirtschaftsgemeinschaft? Etwa daß jetzt jeder Bürger jeden Mitmenschen belügen darf, wenn er es nur meint, es sei “ernst”? Oder daß die Politiker der Länder, etwa unsere vielgescholtenen Griechen, einfach lügen soll(t)en, um ihre Ziele zu erreichen? (Ernst genug steht es tatsächlich in Griechenland, nämlich um die durch die täglichen Nachrichten und Maßnahmen zerrissenen Seelen, die Familien, die Individuen; die drastisch gestiegene Selbstmordrate spricht Bände, die keiner wirklich lesen will.)

Oder meint Juncker, weil er ja doch vollständig verallgemeinert mit der Aussage: “MAN” muß lügen, daß etwa Mercedes-Benz oder Siemens oder Lufthansa uns nun jeden Schrott andrehen dürften, nur weil die führenden Herren etwa meinten, es sehe “ernst” aus, um das Unternehmen (und natürlich: “die Arbeitsplätze”) und die eigene Tantieme? Ist geplante Obsoleszenz (die vorsätzlich geplante Schrottwerdung von Produkten – und damit der vorsätzliche Betrug am Verbraucher) damit ebenfalls legitimiert? Immerhin: Unsere frühen Waschmaschinen, wie etwa die berühmte AEG LAVAMAT, hielten noch mindestens 20 Jahre; heute kann man das (noch) von einer “echten MIELE” – zum doppelten bis dreifachen Preis – erwarten.

Ist es damit eben gleich auch erlaubt, die Marke AEG als “Label” zu verkaufen und dieses dann auf Produkte zu kleben, deren Herkunft und Qualitätskontrolle unbekannt ist, um jedoch trotzdem vom Glanz der ursprünglichen “Made in Germany”-Qualität Anleihen zu nehmen?

Gottseidank gibt es noch Qualitätsprodukte, oder besser: dem Dank geschuldet an (kleinste) italienische Textilhersteller, dem Dank geschuldet an Ferdinand Piech, der mit seiner kompromißlosen Qualitätsstrategie den VW-Konzern gaaaanz weit nach vorne brachte (ja, dazu stehe ich, auch nach dem “Abgas-Krieg”), dem Dank geschuldet an den US-amerikanischen Schuhhersteller ALDEN, der die drei einzigen Menschen beschäftigt, die in den USA das tiefste Wissen von der Pferdeledergerbung in Spitzenprodukte umsetzen, die ein Leben lang halten und oft sogar weitervererbt werden können. Und natürlich Dank an die vielen hier ungenannten Personen und Unternehmen rund um den Globus, die zweifellos ihre Seele nicht verkauft haben, die innerlich und äußerlich zu dem stehen, wer sie sind und was sie tun.

Identität oder Verpackung?

Was machen solche Unternehmen, besser: ihre Führungskräfte, anders? Müssen sie etwa keine Gewinne einfahren? Oder machen sie vielleicht gerade deshalb immer noch Gewinne, weil sie anders denken, anders handeln, anders umgehen mit Mitarbeitern und mit Information? … (Fortsetzung folgt hier)

 

Dietmar Hannebohn

Dietmar Hannebohn

Dietmar Hannebohn ist seit 1977 selbständiger Strategie- und Kommunikationsberater