J. Sig Paulsen mit Manfred Schmidt (Übersetzer) 1987 in Frankfurt am Main. Tagungsvortrag vom 18.11.1987 (gekürzt)

In der Freude und im Bewußtsein der Liebe leben

 

Ein Freund von mir sagte einmal: «Wir sind auf das Raumschiff Erde zu einer Reise gekommen, aber dann haben wir vergessen, weshalb wir hier sind.» Wir sind hier, um das Leben zu genießen, uns des Lebens zu erfreuen. Wir sind hier, um uns aneinander zu erfreuen und uns an dem Entdecken der Wahrheit zu erfreuen, die uns frei macht.

Nach einer ziemlichen Anzahl von Jahren, in denen ich aus einem Bewußtsein der Pflichterfüllung und Verantwortung gelebt hatte, entdeckte ich, daß es der eigentliche Zweck meines Daseins ist, das Leben zu genießen, mich am Leben zu erfreuen. Meine Frau hat das immer gewußt. Nur für mich hat es etwas über 70 Jahre gedauert, um das zu begreifen. Wenn das Leben eine Reise ist, und ich bin sicher, daß es das ist, dann besteht die größte Tragödie darin, diese Reise nicht zu genießen. Das Leben ist einfach zu wichtig, um zu ernst genommen zu werden. Wir müssen lernen, das Leben wirklich mit Freude anzugehen, es zu genießen.

Der große Teilhard de Chardin hat einmal gesagt, daß Freude der Beweis für die Gegenwart Gottes ist. Ganz gleich wie wir das Leben zuweilen betrachten mögen, seien wir uns über eines klar: der Schöpfer erfreut sich seiner Schöpfung. Mir ist es offensichtlich, daß «mein Gott» auf jeden Fall einen gewaltigen Sinn für Humor hat, denn sonst hätte er mich niemals erschaffen und mich so lange ertragen. In einer Schöpfungsgeschichte heißt es: Nachdem Gott die Menschheit erschaffen hatte, war er sich darüber klar, daß er seine Meisterleistung vollbracht hatte. Er hat sich dann zurückgelehnt, sich entspannt und das Schauspiel seither immer wieder genossen.

Jetzt haben wir einen Punkt auf unserer langen Reise erreicht, an dem eine neue Schöpfung zum Vorschein kommen kann. Der englische Wissenschaftler Sir Allister Hardy, von der Cambridge und Oxford Universität, sagt in seinem Buch The Living Stream («Der lebendige Strom»), daß die Menschheit einen Punkt der Evolution erreicht hat, an dem jeder Mensch sich sein eigenes Ziel setzen muß und dann die unendliche Macht anwenden muß, um es zu erreichen. Teilhard de Chardin beschreibt den gleichen Vorgang als «Baum des Lebens». Er sagte, daß sich der Baum des Lebens langsam durch viele Epochen hindurch entfaltet und an ihm immer wieder eine neue Blüte erscheint, ein neues Geschöpf aus ihm hervorgeht. Er sagt, wir bewegen uns auf den Punkt Omega zu, an dem jeder Mensch sich des Christus-Bewußtseins gewahr wird. Für mich bedeutet das, daß sich ein neuer Kraftstrom in unserem Bewußtsein bemerkbar macht, daß jeder Mensch sich der großen schöpferischen Kraft bewußt wird, die wir Liebe nennen. In dieser Liebe leben heißt, einen mächtigen Sprung vorwärts zu machen. So stehen wir tatsächlich auf der Schwelle einer neuen Menschheit, eines neuen Gewahrseins, eines neuen Bewußtseins, eines neuen menschlichen Wesens. Und ich genieße es, bei euch zu sein, in diesem Sprung vorwärts, aufwärts, gottwärts.

Etwas genießen, sich an etwas erfreuen (engl, to enjoy) bedeutet, sich einer Sache unmittelbar bewußt zu sein, ohne sie dafür verstandesmäßig betrachten oder über sie nachdenken zu müssen. In anderen Worten: Genießen geht über verstandesmäßiges Betrachten und über Nachdenken hinaus. Wir verneinen nicht die Wichtigkeit des Verstandes und des Denkens, doch um sich an etwas wirklich zu erfreuen und diese Freude zu einem dauerhaften, wirklichen Bestandteil unseres bewußten Zustandes zu machen, müssen wir über das Denken hinausgehen. Genießen oder sich an etwas erfreuen geht auch über die Wahrnehmung hinaus, sei es die Wahrnehmung über die Sinne oder mittels Intuition (was wiederum keine Abwertung der Wichtigkeit der Intuition und der sinnlichen Wahrnehmung ist). Aber solange wir uns nicht an dem erfreuen, was wir wahrnehmen, ist das Wahrgenommene noch kein Teil von uns geworden.

Wir wissen Bescheid über die Wahrheit. Wir kennen genug von der Wahrheit, um unsere menschliche Erfahrung zu verändern. Wir können Bücher über die Wahrheit schreiben und Vorträge über die Wahrheit halten. Wir können die Wahrheit analysieren, wir können sie auseinandernehmen und wieder zusammensetzen. Aber solange wir sie nicht genießen, solange wir uns nicht an der Wahrheit erfreuen und sie auch lieben, solange ist sie noch kein Teil von uns.

Laßt uns in die Erfahrung eintreten, die immerwährende Liebe Gottes zu genießen. Ein brillanter Geist von vor vielen tausend Jahren, nämlich der Prophet Jeremia, sagte, daß er eine Stimme gehört hatte, die zu ihm sprach: «Ich habe dich immer geliebt, darum habe ich dich zu mir gezogen aus lauter Güte.» (Jer. 31, 3). Mutter Theresa hat gesagt, daß die Menschheit unter einem Mangel an geistiger Nahrung leidet. Ich möchte mich bei Mutter Theresa entschuldigen, daß ich diese Aussage etwas verändere: Die Menschheit leidet unter einem Mangel an Liebe. Aber natürlich sind Liebe und Geist dasselbe. Wir haben uns der Liebe unseres Vaters entzogen. So sage ich aus der Tiefe meines Herzens heraus: Das Wichtigste, das wir jemals tun können, ist, die Tatsache zu einem dauerhaften Teil unseres Bewußtseins zu machen, daß wir von unserem Schöpfer geliebt werden. Ich werde geliebt. Liebe Freunde, das ist die wichtigste Erkenntnis, die wir jemals haben können. Zu wissen, nicht nur durch Denken oder verstandesmäßige Betrachtung, sondern durch das unmittelbare Erfahren unseres wahren Wesens, daß wir vom Schöpfer geliebt werden, bedeutet, bewußt als ein lebendiger und immerwährender Teil des schöpferischen Vorgangs zu leben. Diese Wahrheit ist zu wichtig, um zu ernst genommen zu werden. Wir müssen uns ihrer erfreuen, sie genießen. Ich erfreue mich der immerwährenden Liebe unseres Schöpfers. Das ist wert, wiederholt zu werden: Ich erfreue mich der immerwährenden Liebe unseres Schöpfers.

Wir reden sehr viel vom positiven Denken. Wir haben eben den positivsten Gedanken, den wir überhaupt denken können, ausgesprochen. Die Liebe Gottes ist die Ursache und der Grund des positiven Denkens. Der große Philosoph Ralph Waldo Emerson sagte: Wenn wir mit der Ursache und dem Wesen des Universums in Einklang sind, werden wir uns Kräften bewußt, von deren Existenz wir noch überhaupt keine Ahnung hatten. Aber selbstverständlich ist die Liebe Gottes nicht nur die Ursache und das Wesen des Universums, sondern auch von Dir. Solange die Liebe nicht zu einem dauerhaften Bestandteil unseres Bewußtseins geworden ist, ist es überhaupt nicht möglich, über einen längeren Zeitraum hinweg positiv zu denken. Solange wir nicht wissen, daß Gott Liebe ist und daß in dieser Liebe keine Furcht existieren kann, solange wird immer etwas Furcht in unserem Bestreben sein, positiv zu denken, lebensbejahend zu fühlen und die richtige Einstellung aufrechtzuerhalten. Ich finde, es ist ein unglücklicher Zustand, daß wir uns noch nicht darüber klar geworden sind, daß Gott tatsächlich Liebe ist.

Laßt uns nun einige bejahende Worte anwenden. Wir wissen, daß Worte lebendige Einheiten schöpferischer Kraft sind, die uns in einen neuen Bewußtsseinszustand hineinführen können, zu einem großen Sprung nach vorn. Ich erfreue mich der immer erneuernden, der immer entfaltenden, der immer sich ausdehnenden, der immerwährenden Liebe Gottes. Ich erfreue mich der Liebe nicht nur als ein Gegenstand des Denkens oder als verstandesmäßige Betrachtung, sondern als ein unmittelbares Gewahrsein und einer direkten Erfahrung der Wirklichkeit in meinem Innern. Und das können wir selbstverständlich vereinfachen: Ich erfreue mich der Liebe Gottes in mir.

Es gibt von dem nichts zu fürchten, der uns vollkommen liebt. In der Heiligen Schrift heißt es, daß Liebe Furcht austreibt. Eine andere Übersetzung gefällt mir sogar noch besser: Liebe treibt jedes Teilchen von Furcht aus. Liebe treibt keinen Unfug mit der Furcht, sondern sie wirft sie heraus. Uns wird gesagt, daß Gott Liebe ist. Und jene, die in Liebe leben und schwimmen, die leben und schwimmen in Gott. Und Gott liebt und schwimmt in ihnen. Wenn wir uns dessen bewußt werden, daß dies die Wirklichkeit unseres Seins ist, dann ist positives, schöpferisches, lebensbejahendes und auftauendes Denken unvermeidlich. Der Verstand, der von Furcht befreit ist, denkt spontan und unmittelbar positiv. Für das von Furcht befreite Herz ist schöpferisches, mutiges und echtes Fühlen spontan und unwillkürlich. Dem Gemüt, das von Furcht befreit ist, sind gesunde, positive und schöpferische Einstellungen ganz natürlich und selbstverständlich. Der Körper, der von Furcht und Schuldgefühlen befreit ist, ist unwillkürlich gesund, stark und heil. Wir haben entdeckt, daß wir nicht nur in unserem Denken und Fühlen furchtsam sein können, sondern daß furchtsames Denken und Fühlen auch zu einer körperlichen Furcht führt. Wenn wir verurteilen, uns Grollgefühlen hingeben und unglücklich sind, dann gibt auch unser Körper Grollgefühle und unglückliche Empfindungen wieder. Und wenn wir voller Groll und unglücklich sind, dann sind auch unsere Beziehungen voll dieser Gefühle.

Ich finde das sehr schön, was mir einmal John Farber, unser Übersetzer der Unity-Publikationen in die holländische Sprache, gesagt hat: Er war bereits 14 Jahre alt. als er zum ersten Mal etwas über die Hölle gehört hatte und was für ein fürchterlicher Ort das sei. Er rannte damals, so schnell er konnte, nach dem Treffen nach Hause. Er kniete an seiner Bettseite nieder, blickte auf in den Himmel und sagte: «Oh Gott, wenn es einen solchen Ort gibt, wie diese Hölle, von der ich heute abend auf der Versammlung gehört habe, wenn auch nur einer deiner Söhne und Töchter dort hingehen muß, dann laß mich bitte mitgehen, damit er oder sie nicht allein sein muß.»

Gott ist Liebe. Gott liebt Dich mit einer immerwährenden Liebe, die sich nie verändert, die Dich nie verläßt, die Dich nie enttäuscht. Denn auch wenn Du, so wie der Psalmist sagte, Dein Bett in der Hölle aufschlägst, ist er bei Dir. Wenn Du ein Raumschiff besteigst und auf die andere Seite des Weltraums fliegst: auch dort ist die Liebe, die darauf wartet, Dich zu heilen, Dich mit liebender Freundlichkeit zurückzubringen, die Dir hilft, das wundervolle, abenteuerliche und schöpferische Bild Gottes zu sein, als das Du geschaffen bist. Zum Schluß möchte ich Euch noch zwei kleine Geschichten erzählen: Zwei kleine Raupen sind eines Tages auf einer Straße entlang gekrochen. Plötzlich flog ein wunderschöner Schmetterling über die Köpfe der beiden hinweg. Die eine Raupe stieß die andere an, wie immer das vor sich gegangen sein mag, und sagte: «Schau mal da oben. Du wirst mich niemals erwischen, daß ich in einen von diesen Apparaten herumfliege.» Und da sagte die andere: «Sei da nicht so sicher, mein Freund.» Ein Dichter hat gesagt, wir sind dazu geschaffen, im großen Himmel der Freiheit umherzufliegen. Ist es nicht schlimm, daß wir unsere Flügel mit unseren eigenen Fingern beschneiden und wie Würmer im Staub herumkriechen? Es ist Zeit, daß wir aufwachen.

Es gibt eine andere, wunderbare Geschichte, die von Buddha erzählt. Einige seiner Schüler kamen zu ihm, und einer fragte ihn: «Was bist du? Eine Art Gott?» Er lächelte und sagte: «Nein.» – «Ja, bist du denn ein Heiliger?» -«Nein.» – «Ja, bist du ein Engel?» Er sagte: «Nein.» – «Ja was in aller Welt bist du denn eigentlich?» Er lächelte und sagte: «Ich bin erwacht.»

Zuschriften von Teilnehmern zur Tagung

Ich fühlte mich gleich wohl unter den für mich bis dahin fremden Menschen. Es war eine ausgesprochene Herzlichkeit zu spüren. In der Meditation liefen mein Herz und meine Augen über. Ich bin zerflossen in der Liebe zu Gott. Dieses Gefühl hatte ich nie zuvor. Aber ab jetzt trage ich es in mir. Dagmar Silver, Laatzen

Danke für die mannigfaltige Betrachtungsweise der einzelnen Referenten, welche jede für sich uns zum bewußten Sein führte. Danke, es war wahrhaft ein heilbringender Strom fühlbar. Jaqueline Weber, Grettstadt

Durch Sig, Jane, Ruth und Jack hindurch ist mir die nie zuvor erlebte Gnade widerfahren, vollkommen offen und durchlässig zu sein für den Kraftstrom des unvergänglichen Lebens, der immerwährenden Liebe, des strahlenden Lichtes und des Lachens Gottes in mir. Diesen Strom fühle ich, während ich dies schreibe, warm durch mich hindurch in alle Richtungen hinausfließen. Danke. Armin Lebsanft, Stuttgart

Was ich in diesen Tagen erlebt, erfahren und gesehen habe, das war wirklich gelebtes Unity! Der Fluß der göttlichen Energie (Liebe) steht niemals still, das durfte ich erfahren. Sybille von der Goltz, Bonn

Ich fühle ein festes Fundament unter den Füßen und mich unendlich reich. Als großes Geschenk empfinde ich, daß wir alle durch das Band der Liebe fester als zuvor miteinander verbunden sind. Karin und Peter Zander, Kassel

Die Selbständigkeit und Freiheit, die wir alle auf der Tagung erlebt haben, ließen keinen Raum mehr für irgendwelche Probleme. Ich fühlte mich von der Liebe und Freude getragen, die Sig in uns anzündete. Ruth und Jack haben uns gelehrt, daß Liebe die Antwort auf alle Fragen ist. Unser Fehler war nur, daß wir Trennlinien sahen, die die Liebe gar nicht kennt. Es war, als hätte CSA die Reifeprüfung bestanden. Helmut Darmstadt, Oberursel

Mein Eindruck ist, daß sich da eine neue Zelle gebildet hat, ein fester Kern, der für die Aufgabe geschliffen wurde, Liebe, Licht und Lachen in die Welt zu tragen. Ich habe noch nie eine so große Gruppe in solchem Gleichklang erlebt. Inge Ruppel, Portugal

 

Sig Paulsen

Sig Paulsen

J. Sig Paulson war Repräsentant von World-Unity, Leiter von Unity-Village Chapel, Houston, USA, ist Vizepräsident der International New Thought Alliance und Autor von vielen auch ins Deutsche übersetzten Büchern. Er diente mit vielen Vorträgen in mehreren Ländern der Welt.